Tenor
Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.08.2021 wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die in Anbetracht der begehrten Herabsetzung der Vergütung um 3.096,10 Euro auf 2.790,00 Euro nach Maßgabe von § 4 Abs. 3 Satz 1 JVEG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Staatskasse, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (als Beschluss auszulegender "Vermerk" vom 02.03.2022) und über die der Senat mangels besonderer Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art oder grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache durch den Vorsitzenden und Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet (§ 4 Abs. 7 Satz 1 und 2 JVEG), ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Vergütungsanspruch der Antragstellerin für ihr unter dem 16.04.2021 erstattetes aussagepsychologisches Sachverständigengutachten im Ergebnis nicht zu hoch festgesetzt. Eine geringere Vergütung als 5.886,10 Euro ist nicht gerechtfertigt.
1. Für die gemäß §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 Satz 1 JVEG nach Zeitaufwand zu bemessende Vergütung sind mindestens die vom Sozialgericht angenommenen 4.750,- Euro anzusetzen. Der Ansatz der Honorargruppe M3 im Sinne der Anlage 1 zum JVEG in der hier gem. § 24 Satz 1 JVEG wegen der noch im Jahre 2020 erfolgten Beauftragung anwendbaren, bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung (100,- Euro pro Stunde) ist dabei zwischen den Beteiligten unstreitig und auch in der Sache nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Staatskasse ist aber ein Zeitaufwand von mindestens 47,5 Stunden als erforderlich anzusehen.
a) Nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 Satz 1 JVEG richtet sich die Vergütung des Sachverständigen nach der für die Gutachtenerstellung erforderlichen Zeit. Wie viel Zeit erforderlich ist, hängt nicht von der individuellen Arbeitsweise des Sachverständigen ab, sondern ist nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen. Erforderlich ist derjenige Zeitaufwand, den ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt, um sich nach sorgfältigem Studium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehender Überlegung seine gutachtlichen Darlegungen zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen. Dabei ist der Umfang des unterbreiteten Sachstoffs, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Beweisfragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet und die Bedeutung der Sache angemessen zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des zuständigen Senats, statt vieler Beschluss vom 20.02.2015 - L 15 KR 376/14 B -, juris Rn. 28 m.w.N.).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sowie des zuvor für Vergütungsansprüche von Sachverständigen zuständigen 4. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen gliedert sich die Erstellung eines Gutachtens zur Gewährleistung eines objektiven Maßstabs hinsichtlich des erforderlichen Zeitaufwandes in vier vergütungspflichtige Arbeitsschritte (vgl. z.B. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 25.02.2005 - L 4 B 7/04 -, juris Rn. 22 ff. m.w.N.):
1. Zeitaufwand für Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten,
2. Zeitaufwand für Untersuchung und Anamnese,
3. Zeitaufwand für Abfassung der Beurteilung,
4. Zeitaufwand für Diktate und Durchsicht.
b) Ausgehend von dieser eine gleichmäßige Rechtsanwendung gewährleistenden und im Hinblick auf die Anforderungen an ein sozialmedizinisches Sachverständigengutachten (vgl. hierzu z.B. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschl. v. 22.04.2008 - L 1 B 89/08 SK -, juris Rn. 4; Giesbert, in jurisPK-SGG, § 128 Rn. 55) sachgerechten Strukturierung lässt sich eine Kürzung des von der Antragstellerin in ihrer Rechnung vom 16.04.2021 geltenden gemachten Zeitaufwandes von 48,5 Stunden auf 21,5 Stunden, wie von der Staatskasse geltend gemacht, nicht begründen. Die von der Staatskasse gewünschte Kürzung lässt sich insbesondere nicht aus der Rechtsprechung des Senats in den von der Staatskasse zitierten Beschlüssen vom 03.02.2020 - L 15 KR 690/19 B -, juris Rn. 12 ff., und vom 03.12.2020 - L 15 R 628/20 B -, juris Rn. 16 f. herleiten.
aa) Im Hinblick auf die Ausführungen des Sozialgerichts im "Vermerk" vom 02.03.2022 einerseits und das Beschwerdevorbringen andererseits besteht allerdings zur Vermeidung von Missverständnissen Anlass, die Rechtsprechung des Senats, an der er festhält, noch einmal zusammenfassend darzulegen:
Der Senat vertritt ausgehend von den zitierten Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass es sich bei den Angaben des Sachverständigen zum Zeitaufwand um Tatsachenvortrag des Sachverständigen handelt, den das jeweils befasste Gericht nicht daraufhin zu hinterfragen hat, ob der angesetzte Zeitaufwand vielleicht zu niedrig bemessen ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Sachverständige nicht mehr als den angegeb...