Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfall der Terminsgebühr im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes

 

Orientierungssatz

1. Eine Terminsgebühr allein für das Mitwirken an einer auf Verfahrensvermeidung oder Verfahrenserledigung gerichteten anwaltlichen Besprechung ohne die Durchführung eines entsprechenden Termins kann nur in Verfahren entstehen, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nur fakultativ. Daher kann sie nur anfallen, wenn ein gerichtlicher Termin anberaumt worden ist.

2. Die sog. fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 S. 2 Nr. 3 VV-RVG entsteht, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Hat der Antragsgegner im Eilrechtsschutz den prozessualen Anspruch auf Leistungen des SGB 2 nicht anerkannt, sondern nur angezeigt, dass nach Vorlage der vollständigen Antragsunterlagen über den im Verwaltungsverfahren gestellten Antrag eine Entscheidung ergangen ist, so ist auch eine fiktive Terminsgebühr nicht entstanden.

3. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung über den Anfall der sog. fiktiven Terminsgebühr lässt sich eine Ausweitung des Anwendungsbereiches auf Beschlussverfahren nach § 86 b SGG nicht herleiten.

 

Tenor

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 12.11.2009 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerdeführerin ist im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, gerichtet auf die vorläufige Gewährung von Grundsicherungsleistungen für Erwerbsfähige nach dem SGB II, im Wege der Prozesskostenhilfe als Rechtsanwältin beigeordnet worden. Sie hat das Verfahren für erledigt erklärt, nachdem die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 18.09.2009 Grundsicherungsleistungen ab dem 01.07.2009 bewilligt hatte. Ihre Kostenrechnung hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle um die angesetzte Terminsgebühr in Höhe von 200,00 EUR zuzüglich der anteiligen Umsatzsteuer gekürzt. Die hiergegen eingelegte Erinnerung hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 12.11.2009 zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Beschwerde ist zulässig, auch wenn sie nicht innerhalb der durch die §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vorgesehenen Frist von zwei Wochen eingelegt worden ist, denn die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses enthielt keine Fristbestimmung.

Der Beschwerdewert übersteigt auch die erforderliche Grenze von 200,00 EUR (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG), da die Mehrwertsteuer insoweit mit zu berücksichtigen ist (vgl. Beschl. des Senats v. 04.06.2008 - L 19 B 5/08 AL).

Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 S. 1 VV RVG i.V.m. Vorbemerkung (Vorb.) 3 Abs. 3 VV RVG in der ab dem 31.12.2006 geltenden Fassung (Zweites Justizmodernisierungsgesetz - 2. JuMOG - vom 22.12.2006, BGBl. I, 3416) ist nicht angefallen. Danach entsteht eine Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts. Ein gerichtlicher oder von einem Sachverständigen anberaumter Termin im Sinne der Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG hat vorliegend nicht stattgefunden.

Eine Terminsgebühr allein für das Mitwirken an einer auf Verfahrensvermeidung oder Verfahrenserledigung gerichteten anwaltlichen Besprechung ohne die Durchführung eines solchen Termins kann nur in Verfahren entstehen, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (BGH Beschluss vom 01.02.2007 - V ZB 110/06 = NJW 2007, 1461 und vom 15.03.2007 - V ZB 170/06 = NJW 2007, 2644; VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 31.01.2006 - 3 S 1748/05 = NJW 2007, 860; OVG Lüneburg Beschluss vom 12.06.2009 -1 MN 172/08 = AGS 2010, 75; a.A. LSG Bayern Beschluss vom 26.08.2009 - L 15 B 950/06 AS KO; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19.Aufl., Vorb. 3 VV RVG Rn 95 ff.). Mit der Ausweitung des Begriffs "Termin" auf Besprechungen des Rechtsanwalts mit der Gegenseite ohne oder unter Mitwirkung des Gerichts zur Vermeidung oder zur Erledigung eines Verfahrens hat der Gesetzgeber fördern und honorieren wollen, dass ein Rechtsanwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen soll. Ihm soll nach dem RVG eine nach früherem Recht geübte Praxis, einen gerichtlichen Verhandlungstermin anzustreben, in dem ein ausgehandelter Vergleich nach "Erörterung der Sach- und Rechtslage" protokolliert wird, um eine Verhandlungs- bzw. Erörterungsgebühr nach § 31 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAGO) auszulösen, erspart bleiben (vgl. BT-Drs. 15/1971, S. 209). Konnte daher nach früherem Recht eine außerhalb eines gerichtlichen Termins geführte Auseinandersetzung und Verhandlung...

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