Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der fiktiven Terminsgebühr im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Der Anwendungsbereich der sog. fiktiven Terminsgebühr nach einem angenommenen Anerkenntnis gemäß Nr. 3106 S. 2 Nr. 3 VV RVG ist auf Verfahren beschränkt, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist.
2. Aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung lässt sich eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Beschlussverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht ableiten. Eine fiktive Verhandlungsgebühr kann nur bei entfallener, aber an sich vorgeschriebener Verhandlung entstehen. Hieran fehlt es im einstweiligen Rechtsschutz.
3. Grundsätzlich ist bei der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG von der Mittelgebühr auszugehen. Ein Abweichen von ihr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig. Hinsichtlich der Überprüfung der Billigkeit einer solchen Gebühr gesteht die Rechtsprechung dem Rechtsanwalt einen Toleranzrahmen von bis zu 20 % zu.
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 06.03.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung eines Rechtsanwaltes.
Der Beschwerdeführer ist der Antragstellerin mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 13.05.2008 beigeordnet worden, in dem mit Antrag vom 02.05.2008 eingeleiteten Verfahren auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur sofortigen Auszahlung von Leistungen in Höhe von 472,- EUR nach dem SGB II für Mai 2008. Am 13.05.2008 hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, der betreffende Betrag sei am 08.05.2008 ausgezahlt worden.
Am 26.05.2008 hat der Beschwerdeführer den Rechtsstreit "nach dem Anerkenntnis und der inzwischen erfolgten Zahlung durch die Antragsgegnerin" für erledigt erklärt und die Festsetzung eines Gebührenanspruches in Höhe von 785,40 EUR begehrt, nämlich:
Einigungs-/Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 190,00 EUR
Verfahrensgebühr 3102 VV RVG 250,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 125,40 EUR
= 785,40 EUR
Mit Schreiben vom 27.05.2008 hat der Urkundsbeamte des Sozialgerichts u.a. um Begründung der jeweils angesetzten Mittelgebühren und um Mitteilung gebeten, auf welcher Grundlage eine Gebühr nach Nr. 1006 VV RVG in Ansatz gebracht werde. Mit Schreiben vom 02.06.2008 hat der Beschwerdeführer den Ansatz der Mittelgebühr für gerechtfertigt gehalten, da in einem einstweiligen Anordnungsverfahren Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund im Wege sorgfältiger Bearbeitung herauszuarbeiten seien. Dies erfordere einen höheren Zeitaufwand. Hinzu komme die Bedeutung der Grundsicherungsleistungen für die Antragstellerin und ihr Kind.
Dem Schreiben war eine neue Kostenrechnung beigefügt über 559,30 EUR, nämlich:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 250,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 89,30 EUR
= 559,30 EUR
Mit Beschluss vom 23.06.2008 hat das Sozialgericht die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen festgesetzt auf 196,35 EUR, nämlich:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 145,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 31,35 EUR
= 196,35 EUR
Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG sei nicht angefallen, der Ansatz einer Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV RVG nicht gerechtfertigt. Eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG könne in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes schon dem Grunde nach nicht anfallen. Auf die weitere Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 26.06.2008 Erinnerung eingelegt und den Ansatz einer Mittelgebühr im Rahmen der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG für gerechtfertigt gehalten. Zu Unrecht sei auch die Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG nicht angesetzt worden.
Mit Beschluss vom 06.03.2009 hat das Sozialgericht die Erinnerung des Beschwerdeführers gegen den Beschluss vom 23.06.2008 zurückgewiesen. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen den am 18.03.2009 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 01.04.2009 Beschwerde eingelegt und insbesondere die Festsetzung einer Terminsgebühr Nr. 3106 S. 2 Nr. 3 VV RVG begehrt.
Der Beschwerdegegner beantragte die Zurückweisung der Beschwerde unter Hinweis auf Rechtsprechung, nach der eine Terminsgebühr Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht entstehe. Mit Beschluss vom 12.10.2010 hat das Sozialgericht entschieden, der Beschwerde gegen den Beschluss vom 06.03.2009 werde nicht abgeholfen. Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Die nach einem Wert der Beschwer von mehr als 200,00 EUR statthafte und rechtzeitig eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (§§ 56, 33 Abs. 3 bis 8 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG) ist unbegründet. Dem Beschwerde...