Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der fiktiven Terminsgebühr im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Die fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 S. 2 Nr. 3 VV RVG entsteht, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.
2. Diese Vorschrift ist dahingehend auszulegen, dass dieser Gebührentatbestand nur in solchen Verfahren Anwendung findet, in denen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung obligatorisch ist. Weil die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Eilrechtsschutz die - relativ seltene - Ausnahme darstellt, ist dort der Anfall der sog. fiktiven Terminsgebühr ausgeschlossen.
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 06.03.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung eines Rechtsanwaltes.
Der Beschwerdeführer ist der Antragstellerin mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch den Beschluss vom 27.05.2008 beigeordnet worden, in dem mit Antrag vom 23.05.2008 eingeleiteten Verfahren auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur sofortigen Auszahlung von Leistungen in Höhe von 432,70 EUR nach dem SGB II für Mai 2008. Am 26.05.2008 hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, der betreffende Betrag sei am 26.05.2008 ausgezahlt worden.
Am 30.05.2008 hat der Beschwerdeführer den Rechtsstreit für erledigt erklärt und am 04.06.2008 die Festsetzung eines Gebührenanspruches in Höhe von 559,30 EUR begehrt, nämlich:
Verfahrensgebühr 3102 VV RVG 250,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 89,30 EUR
= 559,30 EUR
Mit Beschluss vom 07.08.2008 hat das Sozialgericht die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen festgesetzt auf 196,35 EUR, nämlich:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 167,00 EUR
Pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 35,53 EUR
= 222,53 EUR
Der Ansatz einer Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV RVG sei nicht gerechtfertigt. Eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG könne in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes schon dem Grunde nach nicht anfallen. Auf die weitere Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 15.08.2008 Erinnerung eingelegt und den Ansatz einer Mittelgebühr im Rahmen der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG für gerechtfertigt gehalten. Zu Unrecht sei auch die Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 Ziffer 3 VV RVG nicht angesetzt worden.
Mit Beschluss vom 06.03.2009 hat das Sozialgericht die Erinnerung des Beschwerdeführers gegen den Beschluss vom 07.08.2008 zurückgewiesen. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen den am 18.03.2009 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 01.04.2009 Beschwerde eingelegt und insbesondere die Festsetzung einer Terminsgebühr Nr. 3106 S. 2 Nr. 3 VV RVG begehrt. Der Beschwerdegegner beantragte die Zurückweisung der Beschwerde unter Hinweis auf Rechtsprechung, nach der eine Terminsgebühr Nr. 3106 Satz 2 Nr. 3 VV RVG in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht entstehe. Mit Beschluss vom 12.10.2010 hat das Sozialgericht entschieden, der Beschwerde gegen den Beschluss vom 06.03.2009 werde nicht abgeholfen. Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Die nach einem Wert der Beschwer von mehr als 200,00 EUR statthafte und rechtzeitig eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (§§ 56, 33 Abs. 3 bis 8 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG) ist unbegründet. Dem Beschwerdeführer stehen nach §§ 45 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 RVG keine höheren als die mit Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 07.08.2008 festgesetzten Gebühren und Auslagen in Höhe von 222,53 EUR zu.
Eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 S. 2 Nr. 3 VV RVG ist nicht angefallen. Danach entsteht eine Terminsgebühr auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.
Dieser Gebührentatbestand fällt in einem Verfahren nach § 86 b SGG - wie vorliegend - grundsätzlich nicht an (so schon der Senat im Beschluss vom 09.07.2010 - L 19 B 395/09 AS und so auch LSG NRW Beschlüsse vom 20.10.2008 - L 20 B 67/08 AS, vom 25.09.2009 - L 13 B 15/08 R, vom 25.01.2010 - L 1 B 19/09 AS, vom 21.12.2009 - L 9 B 17/09 AL und vom 03.03.2010 - L 12 B 141/09 AS; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 10.09.2009 - L 1 B 158/09 SK E; Curkovic in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 3. Aufl., Nr. 3106 VV Rn 7; a. A. LSG NRW Beschlüsse vom 26.04.2007 - 7 B 36/07 AS und vom 18.09.2008 - L 5 B 43/08 R -; LSG Thüringen Beschluss vom 26.11.2008 - L 6 B 130/08 SF; BayLSG Beschluss vom 26.08.2009 - L 15 B 950/06 AS KO; Müller-Rabe, a.a.O., 3106 VV Rn 6).
Der Anwendungsbereich dieses Gebührentatbestandes ist auf Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 1 SGG) vorgeschrieben ist, beschränkt. Zwar kann aus dem Wortlaut der Vorsch...