Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Kindergeld beim anzurechnenden Einkommen

 

Orientierungssatz

1. Kindergeld ist als Einkommen für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder zuzurechnen, wenn es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird.

2. Daher ist es nicht, auch nicht zu einem Teil, als zweckbestimmte Einnahme i. S. von § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB 2 von der Berücksichtigung als Einkommen ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 29.06.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Umstritten war in erster Instanz, ob das Kindergeld voll als Einkommen des Kl. zu 3) oder nur hälftig oder gar nicht anzurechnen war. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.06.2009 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

"Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger sind durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht beschwert. Aus Sicht des Gerichts ist die ablehnende Entscheidung der Beklagten nicht rechtswidrig. Zu Recht hat die Beklagte die Rücknahme und Abänderung des Bescheids vom 29.01.2008 im Rahmen des Antrags nach § 44 SGB X abgelehnt.

Kindergeld ist nicht, auch nicht zu einem Teil als zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II von der Berücksichtigung als Einkommen ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat vielmehr ausdrücklich in § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II ausgeführt, dass Kindergeld als Einkommen für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder zuzurechnen ist, wenn es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird.

Dementsprechend hat das Bundessozialgericht z. B. in der Entscheidung vom 28.06.2008 (Az: B 14 AS 55/07 R) ausführlich zur Frage Stellung genommen, inwieweit bei der Anrechnung von Kindergeld als Einkommen ein Pauschbetrag nach AlgII-V abzuziehen sein könnte. In dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht die Einkommensanrechnung, insbesondere die Einkommensanrechnung von Kindergeld bestätigt. Da bei der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Einkommensanrechnung von Kindergeld das volle Einkommen angerechnet wurde und nicht etwa ein Ausschluss der Anrechnung nach § 11 Ab. 3 Nr. 1a) SGB II vorgenommen wurde, hat das Bundessozialgericht mit der Bestätigung der Einkommensanrechnung zugleich entschieden, dass ein Ausschluss nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 a) SGB II nicht vorzunehmen ist."

Hiergegen haben die Kläger am 03.08.2009 Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) eingelegt und vertreten die Auffassung, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Die vom SG zitierte BSG-Entscheidung sei nicht einschlägig.

Wörtlich wird ausgeführt:

"Eine Auslegung vorgenannter Vorschrift im Sinne des SG unterläge auch erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken. SGB II-Leistungsempfänger wären im Gegensatz anderer Kindergeldempfänger vom Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsanteil des Kindergeldes ausgeschlossen. Für diese Ungleichbehandlung gibt es keinen rechtfertigenden Grund, zumal die Leistungen des SGB II keinen diesbezüglichen Bedarf enthielten.

Zu denken wäre aber auch, dass das geleistete Kindergeld keiner (klaren) Zweckbestimmung unterläge und insofern keine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II darstelle. In diesem Zusammenhang wird darauf aufmerksam gemacht, dass nach bisheriger Rechtssprechung zum § 77 Abs. 1 BSHG anerkannt war, dass der Zweck einer öffentlichen Leistung nicht ausdrücklich benannt sein muss; es genügte, wenn er sich durch Auslegung der einschlägigen Regelungen mit hinreichender Deutlichkeit ermitteln lässt. Außerdem unterscheiden sich § 77 Abs. 1 BSHG und § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II dahingehend, dass in ersterer Leistungen zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt werden mussten, während letzterer eine allgemeine Zweckbestimmung genügen lässt.

Gem. § 31 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch Kindergeld nach dem X. Abschnitt des EStG bewirkt.

Hinsichtlich der Freibeträge wird gem. § 32 Abs. 6 EStG dem sächlichen Existenzminimums ein Freibetrag von 1.824,00 EUR und für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsanteil ein Freibetrag von 1.080,00 EUR in Ansatz gebracht.

In Bezug auf das Kindergeld wird die vorgenannte Differenzierung von der herrschenden Meinung dann typisierend dahingehend verstanden, dass für den Fall, dass Kinderfreibeträge mangels zu versteuernden Einkommens nicht zum Tragen kommen, das Kindergeld zur Hälfte dem sächlichen Existenzminimum und zur anderen Hälfte dem Betreuungs, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf des Kindes zuzuordnen ist (vgl. hierzu Kirchhof, EStG Kompaktkommentar EStG 7. Aufl. 2007, § 31 Anm. 2; BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998, - 2 BvR 1057/91 -, - 2 BvR 1226/91 -, - 2 BvR 98...

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