Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Regelleistung nach dem SGB 2, wenn der Verpflegungsaufwand durch einen Klinikaufenthalt gedeckt ist
Orientierungssatz
1. Der Bezieher von Leistungen nach dem SGB 2 muss sich den Wert der Verpflegung, die er während einer Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik erhält, allenfalls im Umfang des in der Regelleistung enthaltenen Verpflegungsaufwands von höchstens 50% als Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB 2 anrechnen lassen; die Anrechnung eines höheren Anteils als Sachbezug entsprechend § 2 Abs. 4 Satz 2 Alg 2V ist rechtswidrig.
2. Die Begrenzung der Anrechnung des Werts einer beim Klinikaufenthalt gewährten Verpflegung auf den Regelbedarf ist erforderlich, da sonst andersartiger Bedarf nicht gedeckt wäre.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 03.11.2006 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 26.10.2006 bis zum 31.12.2006 in Höhe von monatlich 478,20 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 3/5 für beide Rechtszüge.
Gründe
I.
Der Antragsteller bezieht von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Für den Zeitraum vom 14.08.2006 bis zum 03.01.2007 befand er sich in diversen Kliniken zur Durchführung einer Entgiftung und anschließenden Therapie. Mit Bescheid vom 29.09.2006 bewilligte die Antragsgegnerin ihm für die Monate Oktober bis Dezember 2006 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 443,00 EUR. Dabei brachte sie im Rahmen der Berechnung dieses Leistungsbetrages eigenes Einkommen von monatlich 202,70 EUR in Ansatz, weil der Antragsteller wegen freier Verpflegung über entsprechende Sachbezüge verfüge.
Am 26.10.2006 beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Münster die Gewährung höherer Leistungen. Vor Antritt der Rehabilitationmaßnahme sei ihm zugesichert worden, es werde nur eine Kürzung von 35% vorgenommen.
Mit Beschluss vom 03.11.2006 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig während der Monate Oktober und November 2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 478,20 EUR (Kürzung um 172,50 EUR statt um 202,70 EUR) zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Wegen der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen den ihr am 13.11.2006 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 16.11.2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht mit Beschluss vom 16.11.2006 nicht abgeholfen hat.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, der Antragsteller müsse sich den Betrag von monatlich 202,70 EUR als Sachbezüge wegen während des Klinikaufenthalts gewährter Verpflegung anrechnen lassen. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II seien als Einkommen im Sinne des SGB II alle Einnahmen in Geld oder in Geldeswert zu berücksichtigen. Bei Einnahmen in Geldeswert genüge es, wenn diese einen bestimmten in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert besäßen. Der Wert der danach vor allem erfassten Sachbezüge sei nach § 2 Abs. 4 Satz 1 Alg II-VO zu ermitteln. Nach § 1 der Sachbezugsverordnung 2006 werde der Wert der als Sachbezug zur Verfügung gestellten Verpflegung auf monatlich 202,70 EUR festgesetzt. Da der Antragsteller während seines Klinikaufenthaltes voll verpflegt werde, würden diese Sachbezüge monatlich angerechnet. Die Anrechnung erfolge allerdings erst seit dem 01.10.2006. In den ersten zwei Monaten des stationären Aufenthalts sei eine Anrechnung nicht erfolgt, um dem Sonderbedarf des Antragstellers im Zusammenhang mit Zuzahlungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Rechnung zu tragen. Für eine Kürzung der Regelleistung lediglich um 50%, wie sie das Sozialgericht vorgenommen habe, sei eine rechtliche Grundlage nicht ersichtlich.
Der Antragsteller verweist demgegenüber darauf, andere Leistungsträger führten nur eine Kürzung um 35% durch. Laut Warenkorb ständen für Nahrung, Getränke und Tabak einem Bezieher von Arbeitslosengeld II monatlich 132,71 EUR zur Verfügung, nicht aber 202,70 EUR. Er werde sichtlich benachteiligt, wenn bei ihm die Regelleistung um 60% gekürzt werde. Durch den Krankenhausaufenthalt entstünden ihm im Übrigen erhöhte Kosten; insgesamt sei die Kürzung der Regelleistung nicht akzeptabel.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
Soweit das Sozialgericht Leistungen für die Zeit vor Antragstellung bei Gericht (26.10.2006) bewilligt hat, war der angefochtene Beschluss abzuändern. Dem Antragsteller hätte es offengestanden, die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bereits unmittelbar nach Erlass des Bescheides vom 29.09.2006 zu beantragen. Ein rückwirkende eins...