Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungsgewährung an EU-Ausländer. materielles Aufenthaltsrecht als Leistungsvoraussetzung
Orientierungssatz
1. Im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende gehört bei einem Ausländer das Vorliegen eines materiellen Aufenthaltsrechts nicht zu den Leistungsvoraussetzungen.
2. Auf EU-Ausländer ohne materielles Aufenthaltsrecht ist jedenfalls bis zu einer Verlustfeststellung ihrer Freizügigkeit der in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 geregelte Leistungsausschluss in Bezug auf die Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht anwendbar. Insoweit ist auch eine erweiterte Auslegung der Ausschlussnorm nicht geboten.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 16.12.2014 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab dem 23.10.2014 bis zum 31.12.2014 den Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II, für Januar 2015 eine Regelleistung von 299,00 EUR und für die Zeit vom 01.02.2015 bis zum 30.04.2015 erneut den Regelbedarf nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Instanzen hat der Antragsgegner zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche Verfahren sowie für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin T aus L beigeordnet.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt von dem Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.
Der 1977 geborene Antragsteller ist britischer Staatsangehöriger. Er lebt nach eigenen Angaben seit Januar 2014 in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist - nicht sorgeberechtigter - Vater von zwei Kindern, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und bei der Kindesmutter in M leben.
Vom 09.01.2014 bis zum 28.02.2014 war der Antragsteller als Call Center Agent bei der B N GmbH zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.461,- EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden tätig. Das bis zum 08.01.2015 befristete Beschäftigungsverhältnis wurde durch den Arbeitgeber innerhalb der Probezeit zum 28.02.2014 wieder gekündigt.
Mit Bescheid vom 02.05.2014 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 22.04.2014 bis zum 30.04.2014 in Höhe von 117,30 EUR und für die Zeit vom 01.05.2014 bis zum 31.08.2014 in Höhe von 701,- EUR monatlich.
Den Antrag des Antragstellers auf Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2014 unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II mit der Begründung ab, ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bestünde nicht, weil der Antragsteller keinen Arbeitnehmerstatus besitze. Der Antragsteller sei unter einem Jahr erwerbstätig gewesen. Ihm seien nach § 2 FreizügG/EU für die Dauer von sechs Monaten Leistungen nach dem SGB II gewährt worden. Ein darüber hinaus gehender Leistungsanspruch bestünde nicht. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage, S 36 AS 4068/14.
Am 23.10.2014 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Köln einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
Er hat vorgetragen, bereits einen Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt hergestellt zu haben. Seit seiner Kündigung sei er arbeitsuchend. In einer solchen Fallkonstellation sei der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-333/13 - Dano. Der Europäische Gerichtshof habe nur über die Fallkonstellation eines wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürgers, der bisher nicht gearbeitet habe, entschieden. Hiervon sei seine Situation zu unterscheiden, denn er habe bereits durch eine vorangegangene Beschäftigung eine hinreichende Verbindung zum deutschen Mitgliedstaat hergestellt. Er habe ein Freizügigkeitsrecht als Arbeitsuchender und verfüge daher über einen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus mit der Konsequenz, dass er sich auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Leistungen im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) 883/2004 berufen könne. Da zudem nach nationalem Recht bis zur Entscheidung des Ausländeramtes über den Verlust des Freizügigkeitsrechts die Freizügigkeitsvermutung gemäß § 7 Abs. 1 FreizügG/EU gelte, sei bis dahin von einem rechtmäßigen Aufenthalt und einem Anspruch auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Leistungen nach dem SGB II über Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 auszugehen.
Mit Beschluss vom 16.12.2014 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihm am 16.12.2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller a...