Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungsausschluss für EU-Ausländer. Anspruch auf vorläufige Leistungsgewährung während eines Vorlageverfahrens zum EuGH, Anforderung an den Verfügungsgrund im Eilverfahren über Grundsicherungsleistungen
Orientierungssatz
1. Solange über die Frage der Zulässigkeit eines gesetzlichen Leistungsausschlusses für EU-Ausländer im System der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ein Vorlageverfahren am Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) anhängig ist, haben Betroffene, die im übrigen die Leistungsvoraussetzungen erfüllen, einen Anspruch auf vorläufige Gewährung von Grundsicherungsleistungen. Dabei ist der Ermessensspielraum des Grundsicherungsträgers zum Ob und Wie der Leistung aufgrund der existenzsichernden Funktion der Grundsicherungsleistung regelmäßig auf Null reduziert.
2. Im einstweiligen Verfügungsverfahren über die vorläufige Gewährung von Grundsicherungsleistungen besteht ein Anordnungsgrund hinsichtlich der Gewährung von Kosten der Unterkunft nicht erst dann, wenn eine Räumungsklage erhoben wurde (Aufgabe LSG NRW Beschluss vom 19. Mai 2014, L 19 AS 805/14). Vielmehr sind zur Beurteilung eines wesentlichen Nachteils als Anordnungsgrund alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, einschließlich finanzieller Aspekte bei der Beschaffung neuen Wohnraums.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 27.04.2015 wird geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 02.04.2015 bis zum 30.09.2015 vorläufig Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 473,34 EUR (360 Euro Regelsatz/113,34 Euro KdU) monatlich, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu zahlen
Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Die im Jahr 1993 geborene Antragstellerin, ihr 1982 geborener Partner und ihr 2012 geborener gemeinsamer Sohn sind rumänische Staatsbürger. Sie leben seit April 2013 in der Bundesrepublik Deutschland. Der Partner der Antragstellerin konnte seinen Lebensunterhalt und den der Antragstellerin sowie des gemeinsamen Kindes zunächst durch Ausübung einer selbständigen Tätigkeit sicherstellen. Die selbständige Tätigkeit wurde zum 31.12.2014 abgemeldet. Die Antragstellerin arbeitete von Oktober 2014 bis Januar 2015 als Reinigungskraft zu einem monatlichen Entgelt von 150 Euro. Laut ärztlicher Bescheinigung vom 18.03.2015 ist die Antragstellerin schwanger. Voraussichtlicher Entbindungstermin war der 04.06.2015.
Auf ihren Antrag vom 17.11.2014 wurden nach Vorlage der angeforderten Unterlagen nur dem Partner der Antragstellerin und dem gemeinsamen Kind mit Bescheid vom 27.03.2015 vorläufig Leistungen bewilligt. Für die Antragstellerin lehnte der Beklagte die Leistung ab. Der Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1910,04 Euro ging am 01.04.2015 auf dem Konto der Antragstellerin ein. Desweiteren ging am 31.3.2015 ein Betrag in Höhe von 1660,00 Euro von der Stiftung "Mutter und Kind" des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ein. Der Kontostand am 02.06.2015 belief sich auf 29,44 EUR. Der Vermieter drohte mit Schreiben vom 04.03.2015 die fristlose Kündigung wegen der rückständigen Mieten aus Februar und März 2015 an.
Am 02.04.2015 hat die Antragstellerin beim SG Köln den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Nachdem die Kontoauszüge der Antragstellerin und ihres Partners trotz Aufforderung des Gerichts vom 07.04.205 und Erinnerung vom 20.04.2014 nicht vorgelegt wurden, hat das Sozialgericht den Antrag mit Beschluss vom 27.04.2015 abgelehnt. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Es sei insbesondere nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragstellerin die Mittel fehlten, für ihren Lebensunterhalt vorläufig selbst aufzukommen. Die Antragstellerin habe seit Eingang des Antrags weder auf die Anfragen des Gerichts reagiert, noch habe sie weitere Unterlagen eingereicht.
Gegen den am 29.04.2015 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 6.5.2015 Beschwerde erhoben und Kontoauszüge vorgelegt. Daraus ergibt sich für den 07.04.2015 ein Kontostand von 2381,76 Euro, für den 02.06.2015 von 29,44 Euro. Die Antragstellerin trägt vor, es stünden ihr keine ausreichenden Mittel zum Lebensunterhalt zur Verfügung und sie sei auch nicht krankenversichert. Die Entbindung des zweiten gemeinsamen Kindes stehe bevor.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 27.04.2015 zu ändern und den Antragsgegner zu verpflichten, ihr für die Zeit ab 02.04.2015 vorläufig Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 473,34 EUR (360 Euro Regelsatz/113,34 Euro KdU) monatlich, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, zu zahlen
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Antragstellerin sei gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ...