Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des schulpflichtigen Kindes eines EU-Ausländers und seiner sorgeberechtigten Eltern auf Leistungen der Grundsicherung. Diskriminierungsverbot
Orientierungssatz
1. Mit dem Beginn seiner Schulausbildung besitzt das Kind eines Unionsbürgers, der zu diesem Zeitpunkt noch Arbeitnehmer ist, ein originäres Aufenthaltsrecht nach Art. 10 EUV 492/2011. Dessen Eltern besitzen ein aus Art. 10 EUV 492/2011 abgeleitetes Aufenthaltsrecht, weil das Kind ohne die sorgeberechtigten Eltern sein Aufenthaltsrecht nicht mehr umsetzen kann (BSG Urteil vom 3. 12. 2015, B 4 AS 43/15 R).
2. Bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2c SGB 2 entfaltet der Leistungsausschluss wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sozialrechts keine Wirkung. Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 handelt es sich um eine unmittelbare Diskriminierung; das entscheidende Unterscheidungskriterium ist allein die Staatsangehörigkeit.
3. Art. 10 EUV 492/2011 begründet ein unabhängiges und originäres eigenständiges Aufenthaltsrecht zu Ausbildungszwecken. Dieses ist nicht davon abhängig, dass ausreichende Existenzmittel und ein umfassender Krankenversicherungsschutz zur Verfügung stehen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller zu 1), 2), 4) und 5) wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 17.05.2017 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Beschwerdeführern für die Zeit vom 28.04.2017 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis 28.04.2018, vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Form des Regelbedarfes in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer in beiden Rechtszügen.
Den Beschwerdeführern wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin T, L, bewilligt.
Gründe
I.
Die Antragsteller zu 1), 2), 4) und 5) (im Folgenden auch Beschwerdeführer) begehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
Die Antragstellerin zu 1), ihr Ehemann, der Antragsteller zu 2) und ihre drei 1995, 2002 und 2005 geborenen Kinder, die Antragsteller zu 3) bis 5), sind spanische Staatsangehörige und bewohnen gemeinsam eine 58 qm große Wohnung in L. Die Antragsteller zu 1), 3), 4) und 5) leben seit 2013 in der Bundesrepublik Deutschland. Der Antragsteller zu 2) ist erstmals Ende Mai 2012 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Zwischenzeitlich lebte er seit Januar 2015 in Spanien und hält sich seit dem 01.02.2017 wieder dauerhaft in Deutschland auf.
Der Antragsteller zu 2) arbeitete vom 23.07.2013 bis zum 28.02.2014 bei der Firma U zu einem monatlichen Bruttolohn von 594,00 Euro. Das Arbeitsverhältnis endete mit einer Kündigung durch den Arbeitgeber. Bis zu seiner Eigenkündigung arbeitete der Antragsteller zu 2) zudem vom 15.09.2012 bis zum 31.07.2013 für die Bauunternehmung L zu einem Bruttolohn von 550,00 Euro monatlich. Der Antragsteller zu 2) bezieht eine spanische Invalidenrente in Höhe von monatlich 887,00 Euro. Die Antragsteller beziehen zudem Kindergeld. Die Antragstellerin zu 3), die keine Beschwerde erhoben hat, ist zu einem Bruttolohn von 660,00 Euro monatlich beschäftigt.
Der am 00.00.2002 geborene Antragsteller zu 4) besuchte seit dem 13.11.2013 bis zum 01.02.2015 das I-Gymnasium in L und seitdem laufend die F-Realschule in L. Die Antragstellerin zu 5) besuchte vom 22.03.2013 bis zum 08.07.2016 die Grundschule und besucht laufend die U-Realschule in L.
Bis zum 31.01.2017 bezogen die Antragsteller Leistungen nach dem SGB II.
Auf den Weiterbewilligungsantrag der Antragsteller vom 03.01.2017 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 10.01.2017 die Gewährung weiterer Leistungen nach dem SGB II ab. Am 24.03.2017 stellten die Antragsteller (Familie C) erneut einen formlosen Antrag auf Leistungen beim Antragsgegner und beantragten am 11.04.2017 die Überprüfung des Bescheids vom 10.01.2017. Den Antrag vom 24.03.2017 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 31.03.2017 ab. Den Antragsteller zu 1), 3), 4) und 5) stünde kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu, da sie ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein zur Arbeitssuche hätten. Gegen den Bescheid legten die Antragsteller am 21.04.2017 Widerspruch ein.
Am 28.04.2017 haben die Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Köln (SG) gestellt. Sie sind der Auffassung, der gesetzliche Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 c) SGB II sei weder mit Unionsrecht noch mit dem verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum für die Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet und auch nicht mit Völkerrecht vereinbar.
Mit Beschluss vom 17.05.2017 hat das SG den Antrag auf einstweilige Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsteller...