Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung bei bindendem Verlust des Aufenthaltsrechts

 

Orientierungssatz

1. Hat das Ausländeramt den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 FreizügG durch bindenden Bescheid festgestellt, so schließt dies gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a SGB 2 einen Anspruch auf Leistungen des SGB 2 selbst dann aus, wenn seit mindestens fünf Jahren ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet besteht, § 7 Abs. 1 S. 4 SGB 2.

2. Zwar hat eine Klage gegen den Rechtsverlust zum Verwaltungsgericht nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Dies gilt aber nicht, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der angefochtene Verwaltungsakt bereits bestandskräftig geworden ist.

 

Tenor

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 19.10.2017 werden zurückgewiesen.

Kosten der Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung betreffende Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

Die zulässigen Beschwerden sind nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht eine aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den angefochtenen Aufhebungsbescheid vom 12.07.2017 nicht angeordnet.

Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die näheren Einzelheiten dieser gerichtlichen Anordnungsbefugnis sind gesetzlich nicht geregelt. Sie sind durch Auslegung zu gewinnen. Diese ergibt, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage Ergebnis einer Interessenabwägung ist. Die aufschiebende Wirkung eines solchen Rechtsbehelfs ist anzuordnen, wenn im Rahmen der Interessenabwägung dem privaten Aufschubinteresse gegenüber dem öffentlichen Interesse einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes Vorrang gebührt. Bei dieser Interessenabwägung ist insbesondere die - nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu bewertende - Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Ferner ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in Fällen des § 86 a Abs. 2 Nrn. 1 - 4 SGG das Entfallen der aufschiebenden Wirkung angeordnet und damit grundsätzlich ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes geregelt hat (vgl. Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen [NRW], Beschluss vom 21.01.2010, Az.: L 7 B 446/09 AS, bei juris Rn. 5). Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn im konkreten Fall ein überwiegendes privates Aufschubinteresse feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme sein (LSG NRW, Beschluss vom 09.12.2013, Az.: L 2 AS 1956/13 B ER, bei juris Rn. 3). Eine solche Ausnahme liegt vor, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, denn ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung rechtswidriger Verwaltungsakte besteht nicht. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, ist die aufschiebende Wirkung regelmäßig nicht anzuordnen. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht abschätzbar, ist eine allgemeine Interessenabwägung durchzuführen. Dabei sind auch die grundrechtlichen Belange des Antragstellers in die Abwägung einzustellen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12.05.2005, Az. 1 BvR 569/05, bei juris Rn. 26).

Unter Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze war eine aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den angefochtenen Bescheid nicht anzuordnen. Der Aufhebungsbescheid ist unter Berücksichtigung der von der Stadt C, Ausländeramt, gegen die Antragsteller erlassenen und nach Lage der Akten bindend gewordenen Bescheide vom 23.05.2017 über die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt rechtmäßig, weil die Antragsteller damit gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. a des Sozialgesetzbuchs 2. Buch (SGB II) vom Leistungsbezug ausgenommen sind. Ein Verlust des Rechts auf Freizügigkeit gemäß § 2 Abs. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU durch behördliche Entscheidung schließt einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II selbst dann aus, wenn seit mindestens fünf Jahren ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet besteht (§ 7 Abs. 1 S. 4 SGB II). Im Verfahren um die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit grundsätzlich an Entscheidungen der dafür zuständigen Behörden zum ausländerrechtlichen Status der die Leistung beantragenden Personen gebunden.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragsteller nach eigenem Vorbringen nunmehr unter dem 22.12.2017 Anfechtungsklage bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gegen die Bescheide vom 23.05.2017 erhoben haben. Zwar hat eine Klage gegen die behördliche Feststellung...

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