Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit einer Eingliederungsvereinbarung bzw. eines diese ersetzenden Eingliederungsverwaltungsaktes

 

Orientierungssatz

1. Im der Eingliederungsvereinbarung bzw. in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt sind gemäß § 15 Abs. 2 S. 2 SGB 2 die Verpflichtungen beider Vertragspartner genau zu beschreiben.

2. Die Obliegenheiten des Leistungsempfängers sind genau festzuhalten. Dabei muss ein angemessenes Verhältnis von Leistungen des Grundsicherungsträgers und Gegenleistung des Leistungsempfängers bestehen. Fehlt es an einem ausgewogenen Verhältnis der wechselseitigen Verpflichtungen, so ist die Eingliederungsvereinbarung bzw. der ersetzende Verwaltungsakt rechtswidrig ergangen und aufzuheben.

 

Tenor

Auf die Beschwerden des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 02.11.2020 abgeändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Eingliederungsverwaltungsakt des Antragsgegners vom 17.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2020 wird angeordnet. Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt T, J, beigeordnet. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im erstinstanzlichen Verfahren und im Beschwerdeverfahren L 2 AS 1620/20 B ER. Hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens L 2 AS 1621/20 B sind keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässigen Beschwerden des Antragstellers sind begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt.

Der nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2020 nunmehr gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der mit Schriftsatz vom 10.12.2020 vor dem Sozialgericht Duisburg erhobenen Klage ist zulässig und begründet.

Dem Antrag fehlt insbesondere nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsgegner hat allerdings in seinem Eingliederungsverwaltungsakt die nach § 31 Abs. 1 SGB II für eine Sanktion erforderliche Rechtsfolgenbelehrung nicht erteilt und mehrfach schriftlich bestätigt, dass er wegen der gesundheitlichen Situation des Antragstellers auch keine Sanktionierung beabsichtige. Ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis lässt sich hieraus aber nicht ableiten, weil der Antragsteller trotz der Erklärung des Antragsgegners, ein Verstoß des Antragstellers gegen die Pflichten aus dem Eingliederungsverwaltungsakt werde nicht sanktioniert, ohne Anordnung der aufschiebenden Wirkung weiterhin dazu verpflichtet bleibt, die im Eingliederungsverwaltungsakt aufgeführten Pflichten zu erfüllen. Der Antragsgegner hat diesbezüglich gerade nicht zum Ausdruck gebracht, dass er an den Regelungen des noch bis zum 16.03.2021 geltenden Eingliederungsverwaltungsaktes nicht mehr festhalten will, sondern in seinem Widerspruchsbescheid nochmals nachdrücklich erklärt, dass er die diesbezüglichen Regelungen zur Förderung der Eingliederung in den Arbeitsmarkt unabhängig von der Frage einer Sanktionierung des Leistungsberechtigten weiterhin für erforderlich hält. Bei dieser Sachlage ist aber jedenfalls bis zum zeitlichen Ablauf des Eingliederungsverwaltungsaktes auch ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung und damit eine Außerkraftsetzung der Regelung gegeben. Wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes muss es dem Antragsteller möglich sein, die Frage, ob und in welchem Umfang ihm Handlungspflichten durch den Eingliederungsverwaltungsakt auferlegt werden durften, zeitnah vor Ablauf des Geltungszeitraums zu klären (vgl. dazu auch Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 05.09.2019 - L 3 AS 520/19 B ER, Rn. 23ff. bei juris mwN).

Der Antragsteller hat auch einen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt haben nach § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) keine aufschiebende Wirkung. In solchen Fällen kann das Gericht der Hauptsache nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und das öffentlichen Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Bei dieser Interessenabwägung ist insbesondere auch die - nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu bewertende - Erfolgsaussicht des Rechtsmittels in der Hauptsache zu berücksichtigen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 30.10.2009 - 1 BvR 2395/09, Rn. 7 bei juris). Da § 39 Nr. 1 SGB II das Vollzugsrisiko grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können allerdings nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit ...

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