Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Prozesskostenhilfe trotz bestehender Rechtsschutzversicherung mit Selbstbeteiligung
Orientierungssatz
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann auf die mit der Rechtsschutzversicherung des Antragstellers vereinbarte Selbstbeteiligung begrenzt werden. Eine Rechtsschutzversicherung ist Teil des Vermögens und ist vorrangig zum Zweck der Prozessführung einzusetzen. Soweit die Deckungssumme der Versicherung nicht ausreicht, bleibt der Antragsteller hilfebedürftig.
2. Die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB 10 bewirkt, dass Leistungen nicht in dem Verhältnis rückabzuwickeln sind, in dem sie geleistet wurden, sondern dass der Leistungsempfänger die vom unzuständigen Leistungsträger gezahlte Leistung behalten darf und ein anderer Leistungsträger ihm die gleiche Leistung schuldet. In einem solchen Fall findet der Ausgleich direkt zwischen den Leistungsträgern statt.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.11.2008 geändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen ab dem 14.11.2008 Prozesskostenhilfe bis zur Höhe von 150 EUR bewilligt und Rechtsanwalt L aus I als Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig und im Wesentlichen begründet. Entgegen der Entscheidung des Sozialgerichts (SG) hat die Klägerin ab dem 14.11.2008 Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH).
Die Beschwerde ist statthaft, auch wenn in der Hauptsache der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 750 (vgl. § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) nicht erreicht (vgl. zum Wert bei Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden: Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a ... SGG. Kommentar. 9. Aufl.2008. § 144 Rdnr 18 mwN). Denn im sozialgerichtlichen Verfahren gibt es keine (Rechtsgrundlage für eine) Begrenzung der Statthaftigkeit entsprechend dem Wert des Beschwerdegegenstandes in der Hauptsache. Insbesondere kommt eine entsprechende Anwendung des § 127 Abs 2 Satz 2 2. Halbsatz der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht in Betracht (Leitherer. AaO § 73a Rndr 12b mwN). Die Richtigkeit dieser systemorientierten Auslegung hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 172 Abs 3 SGG (zum 1.4.2008) nachdrücklich bestätigt. Dies alles hat der Senat bereits entschieden (Beschluss vom 7.7.2008, Aktenzeichen (Az) L 1 B 17/08 AS mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Die Klägerin durfte ihren Antrag auch auf die mit ihrer Rechtsschutzversicherung vereinbarte Selbstbeteiligung von EUR 150 begrenzen (BSG SozR 4-1500 § 73a Nr 4; Bay. LSG. Beschluss vom 9.10.2006. Az L 8 B 718/06 AL; LSG SH. Beschluss vom 27.1.2003. Az L 2 B 121/02 SB PKH). Eine Rechtsschutzversicherung ist grundsätzlich Teil des Vermögens und vorrangig zum Zweck der Prozessführung einzusetzen (BSG SozR 3-1500 § 73a Nr 4). Indes besteht keine Verpflichtung, sie ohne Selbstbeteiligung abzuschließen. Soweit die Deckungssumme der Versicherung nicht ausreicht (und sonstiges einsetzbares Einkommen oder Vermögen nicht vorliegt), bleibt die Klägerin hilfebedürftig (BSG SozR 4-1500 § 73a Nr 4; Bay. LSG. AaO). Beschränkt die Klägerin ihren Antrag auf die Selbstbeteiligung und macht sie dadurch deutlich, dass sie ihren Anspruch gegen die Rechtsschutzversicherung vorrangig für die Bestreitung der Prozesskosten einsetzen will, ist der Antrag zulässigerweise von vorneherein nur auf die (restliche) Bezahlung des Prozessbevollmächtigten beschränkt (BSG. AaO).
Die Beschwerde hat in der Sache im Wesentlichen Erfolg.
Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, §§ 73a SGG, 114 ZPO. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die Rechtsverfolgung, nämlich die Klage gegen den Bescheid vom 27.8.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.9.2008, bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Hinreichende Erfolgsaussicht ist bereits anzunehmen, wenn eine - nicht ganz entfernt liegende - Möglichkeit des Obsiegens besteht. Hier spricht bei summarischer Prüfung Einiges für einen Erfolg der Klage.
Streitig ist ausweislich der Verfügung im angefochtenen Bescheid vom 27.08.2008 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.9.2008, § 95 SGG) nur, ob die Beklagte wegen der Anrechnung von Nebenverdienst für den Monat Juni 2008 die Bewilligung von Arbeitslosengeld I (ALG I) für diesen Monat teilweise aufheben und EUR 226,50 überzahltes ALG I zurückfordern darf.
Die Klägerin bezieht seit dem 15.3.2008 ALG I in Höhe von EUR 10,63 täglich bzw. EUR 318,90 monatlich und ergänzend von der Arge I Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie hat im Juni 2008 eine der Beklagten rechtzeitig angezeigte Nebentätigkeit aus...