Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. Arzneimittelregress. keine aufschiebende Wirkung der Klage. einstweilige Anordnung

 

Orientierungssatz

1. Die Klage gegen einen vom Beschwerdeausschuss im Wege der Einzelfallprüfung festgesetzten Arzneimittelregress hat keine aufschiebende Wirkung.

2. Aus dem gesetzgeberischen Gesamtkonzept der §§ 106 Abs 5, Abs 5a SGB 5, Art 3 § 2 ABAG ergibt sich, dass der Wille des Gesetzgebers darauf gerichtet war, in allen Fallgestaltungen der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine aufschiebende Wirkung der Klage zu verneinen.

3. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn eine Gefährdung der Existenz bei Realisierung des Regresses substantiiert dargelegt sowie glaubhaft gemacht wird.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 27.01.2003 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 60.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist unbegründet. Das Sozialgericht (SG) hat zutreffend die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Die Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10.08.2002 hat weder aufschiebende Wirkung noch ist die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. d. F. 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17.08.2001 (BGBl. I 2001, S. 2144) haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese entfällt nach Abs. 2 der Vorschrift in den Fällen der Nummern 1 bis 3 und 5 sowie nach Nr. 4 in durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Die Nummern 1 bis 3 sind ersichtlich nicht einschlägig. Die aufschiebende Wirkung entfällt vorliegend allenfalls auf der Grundlage von § 86 a Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 106 Abs. 5 und Abs. 5 a SGB V sowie Artikel 3 § 2 des Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetzes (ABAG). Nach diesen Vorschriften haben die Klage gegen eine vom Beschwerdeausschuss festgesetzte Honorarkürzung (§ 106 Abs. 5 Satz 7 SGB V), gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses bei Richtgrößenprüfungen (§ 106 Abs. 5 a Satz 9 SGB V) sowie gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses bei Arzneimittelregressen (Artikel 3 § 2 Satz 4 ABAG) aufschiebende Wirkung.

Eine unmittelbare Anwendung dieser Ausnahmetatbestände im Sinne von § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG scheidet aus, da es sich bei dem streitigen vom Beklagten im Wege der Einzelfallprüfung festgesetzten Arzneimittelregress nicht um eine festgesetzte Honorarkürzung im Sinne von § 106 Abs. 5 SGB V, nicht um eine Entscheidung des Beschwerdeausschusses im Sinne einer Richtgrößenprüfung gem. § 106 Abs. 5 a SGB V oder um eine Entscheidung des Beklagten über einen Arzneimittelregress aufgrund einer Prüfung nach Durchschnittswerten im Sinne von Artikel 3 § 2 ABAG handelt, sondern um einen Arzneimittelregress aufgrund einer Einzelfallprüfung. Teilweise wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass mangels entsprechender gesetzlicher Regelung die Klage entsprechend der Grundregel des § 86 a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung hat, da Ausnahmetatbestände eng auszulegen sind (Kuhlen in NJW 2002, 3155 f).

Der Senat vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen, da sich aus dem Gesamtregelungswerk ergibt, dass der Gesetzgeber für Klagen gegen Entscheidungen des Beschwerdeausschusses von der Grundregel des § 86 a Abs. 1 SGG bewußt abweichen wollte und lediglich den hier zu entscheidenden Fall des Arzneimittelregresses aufgrund einer Einzelfallprüfung übersehen hat. Insoweit besteht eine auslegungsbedürftige Lücke, die durch entsprechende Anwendung des in den §§ 106 Abs. 5 und 5 a SGB V sowie Artikel 3 § 2 ABAG genannten Grundsatzes zu schließen ist. Durch die o. g. Regelungen hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er für den Fall der Honorarkürzung die aufschiebende Wirkung der Klage verneint. Hinsichtlich der Fallgestaltungen bei einer Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelverordnung hat der Gesetzgeber ebenfalls diesen Willen zum Ausdruck gebracht. Denn in § 106 Abs. 5 a SGB V hat er bestimmt, dass bei dem Verfahren der Richtgrößenprüfung eine Klage gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses ebenfalls keine aufschiebende Wirkung hat. Diesen Willen hat er dann auch durch die Übergangsregelung in Artikel 3 § 2 ABAG verdeutlicht, indem er auch für den Fall der Festlegung eines Arzneimittelregresses aufgrund einer Prüfung nach Durchschnittswerten bestimmt hat, dass die Klage dagegen keine aufschiebende Wirkung hat. Aus diesem gesetzgeberischen Gesamtkonzept wird deutlich, dass der Wille des Gesetzgebers darauf gerichtet war, in allen Fallgestaltungen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die aufschiebende Wirkung der Klage zu verneinen (BT-Drucksache 14/7117 S. 16; im Ergebnis wohl auch Wenner in SozSich 2001, 422, 424). Es ist kein nachvollziehbarer Grund dafür erkennbar, dass der Gesetzgeber gerade im Falle des Arzneimittelregresses aufgrund einer Einzelfallprüfung von dies...

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