Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung bei verweigertem Antrag auf Gewährung vorzeitiger Altersrente
Orientierungssatz
1. Die Vorschrift des § 9 SGB 2 zur Hilfebedürftigkeit bringt zum Ausdruck, dass SGB 2-Leistungen nicht für denjenigen erbracht werden sollen, der sich nach seiner tatsächlichen Lage selbst helfen kann. Dabei wird an die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen angeknüpft. Ansprüche eines Leistungsberechtigten gegenüber Dritten zählen nur dann zum berücksichtigungsfähigen Einkommen i. S. von § 9 Abs. 1 SGB 2, wenn diese in angemessener Zeit durchzusetzen sind. Dies ist bei dem Anspruch auf vorgezogene Altersrente nicht der Fall.
2. Nur der tatsächliche Bezug einer Altersrente, nicht die Innehabung eines solchen Anspruchs, ist Voraussetzung für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 S. 1 SGB 2.
3. Auch die Bestimmung des § 12 a SGB 2 begründet keinen Leistungsausschluss. Sie gibt keine Handhabe, einen Erst- oder Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 mit dem Verweis auf vorrangige Leistungen abzulehnen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.02.2012 wird zurückgewiesen. Der Antrag der Antragstellerin wird als unzulässig verworfen.
Der Antragsgegner trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung von Leistungen in gesetzlicher Höhe nach dem SGB II für die Zeit vom 06.01.2012 bis einschließlich April 2012 zu gewähren.
Die am 00.00.1948 geborene Antragstellerin ist geschieden. In der Zeit vom 01.09.1998 bis 31.12.2008 war sie sozialversicherungspflichtig in Teilzeit beschäftigt. Anschließend bezog sie bis zum 15.01.2011 Arbeitslosengeld. Seit dem 15.01.2011 übt die Antragstellerin eine selbständige Tätigkeit aus. Die Bundesagentur für Arbeit gewährte ihr einen Gründungszuschuss in Höhe von 1.027,50 EUR mtl. für die Zeit vom 15.01. bis 14.10.2011. Laut Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung vom 10.01.2012 beträgt die Altersrente der Antragstellerin, beginnend ab dem 01.11.2011, 410,06 EUR.
Durch Bescheid vom 08.12.2011 versagte der Antragsgegner der Antragstellerin die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies er durch Widerspruchsbescheid vom 26.01.2012 zurück. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage, S 41 AS 429/12.
Nach Vorlage von Unterlagen lehnte der Antragsgegner durch Bescheid vom 13.01.2012 den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab. Die Antragstellerin sei nach § 12a SGB II verpflichtet, eine Rente wegen Alters vorzeitig, d.h. mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen (§ 12a Satz 1 SGB II). Eine Ausnahme von der Verpflichtung der Inanspruchnahme einer Altersrente mit Abschlägen sei nicht gegeben, da die Antragstellerin nicht ein Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II von mindestens 400,01 EUR erziele. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2012 zurückwies. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage, S 41 AS 429/12.
Am 06.01.2012 hat die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner im Wege des vorläufigen Rechtschutzes zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.11.2011 zu gewähren.
Sie hat vorgetragen, dass sich ihre ungekürzte Altersrente auf einen Betrag von 428,50 EUR belaufe. Zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts sei sie auf den Aufbau einer selbständigen Tätigkeit angewiesen. Seit dem 01.02.2012 habe sie eine Nebenbeschäftigung in einem Reformhaus.
Durch Beschluss vom 29.02.2012 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtschutzes verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 06.01.2012 bis einschließlich April 2012 vorläufig Leistungen in gesetzlicher Höhe nach dem SGB II zu gewähren.
Am 23.03.2012 hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt.
Er vertritt die Auffassung, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Lebensalters nach § 12 a SGB II verpflichtet sei, einen Antrag auf Gewährung einer vorzeitigen Altersrente zu stellen. Er sei nicht verpflichtet, zunächst unter Anmeldung eines Erstattungsanspruchs nach §§ 102ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Hilfen zu gewähren. Dies hätte zur Folge, dass Antragsteller zumindest vorübergehend zu Leistungsberechtigten nach dem SGB II würden, die generell vom Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen seien. Dies würde dem Sinn und Zweck der Nachrangigkeit des SGB II sowie der Definition der Leistungsberechtigung zuwiderlaufen. Es entspreche nicht gesetzgeberischer Intention, dass Antragsteller ihre Hilfebedürftigkeit selber beeinflussen, in dem sie einen Antrag auf vorrangige Leistungen nicht stellen und dadu...