Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine juristische Person als Kläger

 

Orientierungssatz

1. Auch einer juristischen Person ist Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen, wenn die hierzu erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Hierzu ist u. a. erforderlich, dass nicht nur die juristische Person selbst, sondern auch die am Gegenstand des Rechtsstreites wirtschaftlich Beteiligten nicht in der Lage sind, die Kosten des Rechtsstreites aufzubringen.

2. Bei einem eingetragenen Verein als Kläger muss zunächst dessen Vorsitzender den Nachweis führen, dass er die erforderlichen Anstrengungen unternommen hat, um die Kosten der Prozessführung selbst aufzubringen.

3. Zu den am Gegenstand des Rechtsstreites wirtschaftlich Beteiligten gehören bei einem eingetragenen Verein auch die Mitglieder. Deshalb ist darzulegen, dass die Mitglieder des Vereins nicht in der Lage sind, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

4. Unabhängig davon ist dem Antrag einer juristischen Person auf Bewilligung von PKH dann stattzugeben, wenn diese ohne die Durchführung des Rechtsstreites behindert würde, der Allgemeinheit dienende Aufgaben zu erfüllen oder wenn von der Durchführung des Prozesses die Existenz eines Unternehmens abhängt, an dessen Erhaltung wegen der großen Zahl der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer ein allgemeines Interesse besteht.

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.05.2009 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger, ein eingetragener Verein, der sich u.a. der Integration von in Nordrhein-Westfalen lebenden Aussiedlern, Spätaussiedlern und Zuwanderern aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR und der Vertiefung der Kontakte zwischen ihnen und den ortsansässigen Bürgern verschrieben hat, begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren gegen eine Nachforderung der Beklagten in Höhe von 3.702,69 EUR betreffend Sozialversicherungsbeiträge für (angeblich) abhängig beschäftigte Leiter der vom Kläger veranstalteten Sport-, Kunst- und Sprachkurse (Bescheid v. 09.11.2007, ablehnender Überprüfungsbescheid v. 03.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 18.12.2008).

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Bewilligung von PKH abgelehnt (Beschluss v. 13.05.2009). Es könne nicht festgestellt werden, dass im vorliegenden Fall die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen werde (§ 116 Satz 1 Nr. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Voraussetzung hierfür sei, dass der Kläger andernfalls an der Erfüllung seiner der Allgemeinheit dienenden Aufgaben gehindert werde. Die Entscheidung müsse dabei größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens ansprechen oder soziale Auswirkungen nach sich ziehen. Solche Umstände habe der Kläger hier nicht dargetan. Der Fall berühre nur seine eigenen Belange. Auch sein Hinweis, zahlreiche Immigranten könnten ohne sein Mitwirken keine Deutschkurse erhalten und deren Stattfinden sei ohne Durchführung des vorliegenden Verfahrens gefährdet, sei nicht ausreichend. Die Allgemeinheit werde gegebenenfalls nicht in einem Maße in Mitleidenschaft gezogen, das die Bewilligung von PKH rechtfertige.

Mit der Beschwerde gegen diesen Beschluss trägt der Kläger vor: Für den Fall, dass er die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen müsse, sei er gezwungen, Insolvenz anzumelden. Dies wiederum hätte zur Folge, dass zahlreiche Immigranten aus Staaten der früheren UdSSR keine Deutschkurse erhielten und daher auf dem Arbeitsmarkt keine Perspektiven hätten. Es komme hinzu, dass viele seiner Mitglieder jüdischen Glaubens seien, deren Integration er ebenfalls fördere.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (1.), aber unbegründet (2.).

1. Die Beschwerde ist statthaft. Der Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) greift nicht ein. Danach ist eine Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH nur dann unzulässig, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint. Das ist hier jedoch nicht geschehen. Das SG hat die Bewilligung von PKH vielmehr mit der Begründung abgelehnt, es lasse sich nicht feststellen, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderliefe. Anders als bei den anderen in § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO geregelten Voraussetzungen, die eine juristische Person zusätzlich gegenüber einer natürlichen Person erfüllen muss, um PKH zu bekommen, knüpft dieses Merkmal gerade nicht an persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse der juristischen Person, sondern an außerhalb ihrer selbst liegende öffentliche Belange an. Es wird daher von der - als Ausnahmevorschrift eng auszulegenden - Bestimmung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht erfasst.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Bewilligung von PKH im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

a) § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO setzt zunächst voraus, dass nicht nur die juristische P...

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