Entscheidungsstichwort (Thema)

Klageänderung. Gewillkürter Parteiwechsel. Hinreichende Erfolgsaussicht

 

Orientierungssatz

1. Bezeichnet der Kläger mit der erhobenen Klage als Klagegegner nicht die Widerspruchs-, sondern die Ausgangsbehörde, so hat dies nicht die Unzulässigkeit der Klage zur Folge, wenn sie fristgerecht erhoben ist. Die Umstellung auf den richtigen Beklagten erst nach Ablauf der Klagefrist führt nicht zur Unzulässigkeit der Klage. Es handelt sich nicht um einen gewillkürten Parteiwechsel i. S. einer Klageänderung nach § 99 SGG, sondern um die Berichtigung des Passivrubrums im Verhältnis von Widerspruchs- und Ausgangsbehörde, die auch nach Ablauf der Klagefrist zulässig ist (BSG Urteil vom 10. 3. 2011, B 3 P 1/10 R).

2. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerde im PKH-Verfahren ist ausgeschlossen. Nur wenn der Betroffene die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, ist PKH nach § 114 Abs. 1 ZPO zu gewähren. Das Verfahren gegen die Ablehnung von PKH ist kein Prozess i. S. von § 114 ZPO, sondern ein Verfahren, in dem über die Gewährung staatlicher Hilfe für den Antragsteller zu befinden ist. Auch eine Kostenerstattung nach § 127 Abs. 4 ZPO ist nicht vorgesehen.

3. Nimmt der Kläger für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens anwaltliche Hilfe in Anspruch, so muss er die hieraus entstehende Kostenfolge selbst tragen.

 

Normenkette

SGG §§ 73a, 99, 87 Abs. 1 S. 1; ZPO § 114 S. 1

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln geändert. Dem Kläger wir für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt S, C, beigeordnet.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt S, C, für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Übernahme von Kosten für eine Anschlussheilbehandlung.

Der 1974 geborene Kläger war jedenfalls bis zum 30.04.2015 Mitglied der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland. Am 01.05.2015 brach er eine Rehabilitationsmaßnahme der Bundesagentur für Arbeit ab. Am 12.07.2015 trat er eine Haftstrafe in der JVA L an, aus der er am 11.05.2016 entlassen wurde. Eine weitere Rehabilitationsmaßnahme der Deutschen Rentenversicherung Bund trat er nicht an; sein Aufenthalt war in der Folge unbekannt. Am 17.05.2016 erlitt er auf Grund einer Heroinüberdosis einen Herzstillstand und wurde im Gemeinschaftskrankenhaus C notfallmäßig versorgt und reanimiert. Als Folge leidet der Kläger nunmehr an einem schweren hirnorganischen Psychosyndrom, einem tetraspastischen Syndrom mit schwerer Stand- und Gangataxie sowie einer Dysarthrophonie.

Am 15.06.2016 wurde er zur Durchführung einer Anschlussrehabilitation in das Neurologische Rehabilitationszentrum H aufgenommen, für die er am 20.06.2016 bei der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland die Übernahme der Kosten beantragte. Letztgenannte leitete den Antrag am 22.06.2016 an die Beklagte weiter, weil weder eine Weiter- noch eine Familienversicherung bei der AOK festgestellt werden konnte und die Prüfung einer Pflichtversicherung kurzfristig nicht möglich war.

Mit Bescheiden vom 06.07.2016, 16.08.2016 und 11.10.2016 bewilligte die Beklagte die Kostenübernahme bzw. deren (zweimalige) Verlängerung für eine medizinische stationäre Anschlussrehabilitation. Den weiteren Verlängerungsantrag vom 18.10.2016 für die Zeit ab dem 22.10.2016 bis zum 15.11.2016 lehnte die Beklagte hingegen mit Bescheid vom 07.11.2016 ab. Grund für diese Entscheidung war eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein, wonach die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungserbringung nicht erfüllt seien. Auf Grund des Stagnierens des bisherigen Rehabilitationsverlaufs reiche eine kurative Versorgung des Klägers mit verordnungsfähigen Heilmitteln aus.

Am 19.04.2017 wurde der Kläger schließlich aus dem Neurologischen Rehabilitationszentrum H entlassen und zog in eine Senioren- und Pflegeeinrichtung in C. Mit Beschluss vom 27.06.2017 bestellte das Amtsgericht Bergisch Gladbach für den Kläger einen Betreuer für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Regelung des Postverkehrs, Vermögensangelegenheiten und Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern.

Den gegen den ablehnenden Bescheid erhobenen Widerspruch wies das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung des Landes Rheinland-Pfalz mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2018 zurück. Die Beklagte sei gemäß § 14 SGB IX für die Entscheidung über den Antrag des Klägers zuständig geworden. Eine weitere Verlängerung der Anschlussheilbehandlung sei hier aus medizinischen Gründen nicht dringend erforderlich i.S.d. § 40 SGB V gewesen, weil die stationäre Rehabilitationsmaßnahme nach den Feststellungen des MDK nicht mehr notwendig gewesen sei. Auch ein Anspruch nach den §§ 48 ff. SGB XII bestehe nicht, weil Leistungen der Krankenbehandlung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des SGB V erbracht ...

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