Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe - Gewährung von Verletztenrente

 

Orientierungssatz

1. Die zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 73a SGG erforderliche Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Rechtstandpunkt des Klägers für vertretbar erachtet und in tatsächlicher Hinsicht eine Beweisführung für möglich hält.

2. Ist im Klageverfahren die Gewährung von Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall streitig und erscheinen weitere Ermittlungen des Sozialgerichts zur Abklärung einer möglicherweise richtunggebenden Verschlimmerung eines vor dem Unfall bestehenden Vorschadens durch das anerkannte Unfallereignis erforderlich, so ist bei bestehenden persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen des Antragstellers Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 29.09.2020 geändert. Dem Kläger wird ab dem 30.09.2020 Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren bewilligt und die Anwaltssozietät U T aus Dortmund beigeordnet.

Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren, in dem er die Gewährung einer Verletztenrente begehrt.

Der aus Ghana stammende, 1981 geb. Kläger erlitt am 02.07.2018 einen anerkannten Arbeitsunfall (Bescheid vom 18.07.2019), als er bei seiner Tätigkeit als Lagerarbeiter auf das rechte Handgelenk fiel. Der Durchgangsarzt diagnostizierte am selben Tag einen Mondbeinbruch und einen Verdacht auf Bruch des Processus radii bei der Differentialdiagnose einer alten Fraktur. Zur Klärung des Unfallzusammenhangs veranlasste die Beklagte eine Begutachtung des Klägers durch den Fachchirurgen Dr. N. Bei dessen ambulanter Untersuchung gab der Kläger ein vor 14 Jahren in Ghana erlittenes Sturzereignis mit Verletzung des rechten Handgelenks und Kopfplatzwunde ohne ärztliche Vorstellung an. Dr. N kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass der streckseitige Abrissbruch des Dreiecksbeins sowie das im MRT nachweisbare Knochenödem des Mond- und Kopfbeines Folgen des Unfalls vom 02.07.2018 seien. Für die beim Kläger festgestellten schmerzhaften Bewegungseinschränkungen des rechten Handgelenkes sei jedoch eine erhebliche Radiocarpalarthrose im rechten Handgelenk auf dem Boden einer Lunatumnekrose ursächlich, die bereits zum Unfallzeitpunkt vorgelegen habe. Unter Bezugnahme auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.07.2019 die Gewährung einer Verletztenrente ab. Hiergegen legte der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 01.08.2019 zunächst vorsorglich Widerspruch ein, der trotz mehrfacher Fristverlängerung nicht weiter begründet wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mangels Begründung sei nicht zu erkennen, wogegen sich der Widerspruch richte. Es bestehe kein Anlass zu einer Abänderung.

Hiergegen hat der Kläger durch seinen Klägerbevollmächtigten am 27.01.2020 Klage erhoben, Akteneinsicht beantragt, eine Klagebegründung sowie die Übersendung einer Vollmacht angekündigt und einen Antrag auf Gewährung von PKH unter Beiordnung der Anwaltssozietät U T gestellt. Nachdem der Klägerbevollmächtigte nach zweimaligen Erinnerungen keine Klagebegründung eingereicht hatte, hat das Gericht den Kläger aufgefordert, das Verfahren insbesondere durch Vorlage einer Klagebegründung zu betreiben und darauf hingewiesen, dass die Klage nach § 102 Abs. 2 S.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Ablauf von 3 Monaten nach Zustellung dieser Verfügung als zurückgenommen gelte, wenn der Kläger dieser Aufforderung vor Ablauf der obigen Frist nicht nachkomme. Diese Betreibensaufforderung ist ausweislich der Postzustellungsurkunde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30.06.2020 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 30.09.2020, eingegangen beim Sozialgericht am gleichen Tage, begründete der Kläger die Klage. Er habe zwar in seiner Heimat Ghana einen Unfall erlitten, es werde jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger seine Hand in der Zwischenzeit eingeschränkt einsetzen konnte und auch in Libyen in der Baubranche gearbeitet habe. Erst nach dem streitigen Unfall sei er nicht mehr in der Lage, seine Hand einzusetzen. Er könne daher nicht mehr seiner Tätigkeit als Lagerarbeiter nachgehen. Das Gericht werde gebeten, ein aktuelles Gutachten einzuholen. Mit Schreiben vom 16.10.2020 erwiderte die Beklagte, das Vorbringen des Klägers sei nicht geeignet, das Gutachten von Dr. N zu entkräften.

Bereits mit Beschluss vom 29.09.2020 hat das Sozialgericht die Gewährung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt. Die Erfolgsaussichten seien vorliegend nicht beurteilbar, da der anwaltlich vertretene Kläger trotz mehrfacher Aufforderungen nicht anhand konkret zu bezeichnender Tatsachen schlüssig und substantiiert unter Angabe der jeweiligen Beweismittel die Klage begründet habe und etwaige An...

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