Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Rechtsnachfolgers eines Versicherten auf Ansprüche nach dem ZRBG. Antragsrücknahme des Versicherten. Überprüfungsantrag. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

Zur Frage, ob ein Rechtsnachfolger eines verstorbenen Versicherten (über § 44 SGB 10 und mithilfe eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches) einen aus dem ZRBG abgeleiteten Anspruch auf Versichertenrente geltend machen kann, wenn der Versicherte vor seinem Tod den Rentenantrag zurückgenommen hatte.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 31.07.2018; Aktenzeichen B 5 R 128/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.06.2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird endgültig auf 47.025,85 Euro festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) umstritten, ob die Beklagte dem Kläger als Rechtsnachfolger seines Vaters Altersrente ab dem 01.07.1997 zu zahlen hat.

Der Kläger ist gemeinsam mit seinem Bruder O S Erbe des am 00.00.1917 geborenen und ab 1948 in Israel lebenden N S (im Folgenden: Versicherter). Der Versicherte beantragte über seinen Bevollmächtigten am 25.07.2003 bei der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Die Beklagte forderte ihn mit Schreiben vom 12.02.2004 unter Beifügung eines Fragebogens auf, nähere Angaben zu machen. Am 19.07.2004 übersandte der Bevollmächtigte des Versicherten ein Schreiben, in dem er bat, die Akte gemäß beigefügter Kopie zu schließen. Die beigefügte Kopie des Schreibens der Beklagten vom 12.02.2004 enthielt den Aufdruck: "Keine Zusammenarbeit mit Mandant/in. Die Akte schließen". Der Versicherte verstarb am 12.08.2007.

Nachdem die Beklagte Anfang 2010 Unterlagen der Claims Conference beigezogen hatte, übersandte sie am 01.06.2010 ein Schreiben an die ihr zum Erben mitgeteilte Anschrift. Hierin erklärte sie, "die ablehnende Entscheidung" werde von Amts wegen unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) überprüft und gebeten, beigefügte Unterlagen auszufüllen. Mit Schreiben vom 30.06.2010, eingegangen am 05.07.2010, stellte der Bevollmächtigte des Klägers für ihn und seinen Bruder O einen Antrag "auf Überprüfung des Ablehnungsbescheides nach § 44 SGB X und die Anerkennung der Beitragszeit und die Zahlung einer Altersrente bis zum Todestag". Diesem beigefügt wurden u.a. die Sterbeurkunde und ein Erbschein.

Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Altersrente mit an den Kläger und seinen Bruder gerichtetem Bescheid vom 13.10.2010 ab. Bei der Altersrente handele es sich um ein Recht, das nur der Versicherte selbst in Anspruch nehmen könne. Die Geltendmachung eines Zahlungsanspruch sei höchstpersönlicher Natur und könne nicht nachträglich durch Erben oder Rechtsnachfolger erfolgen. Der Tod des Versicherten sei bereits am 12.08.2007 eingetreten, der Antrag durch die Rechtsnachfolger jedoch erst am 05.07.2010 gestellt worden, so dass es zu keiner Rentengewährung kommen könne.

Am 25.08.2015 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers unter Vorlage einer von diesem unterzeichneten Vollmacht (erneut), "gem. § 44 SGB X das Verfahren zu führen und unter Anerkennung einer Ghettotätigkeit des Erblassers die Altersrente vom 01.07.1997 bis zu seinem Tod nach dem ZRBG zu zahlen."

Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 23.11.2015 und Widerspruchsbescheid vom 21.01.2016 ab. Rechtsnachfolger seien nicht berechtigt, eigenständig erstmalig einen Antrag nach dem ZRBG zu stellen. Nach § 59 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) würden Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers weder festgestellt noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig sei. Durch die Antragsrücknahme vom 15.07.2004 könnten aus ursprünglichen Antrag des Versicherten keine Rechte mehr hergeleitet werden.

Der Kläger und sein Bruder haben am 27.01.2016 Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und eine Einmalzahlung nach ihrem Vater begehrt. Der Versicherte habe über das Büro X am 25.07.2003 einen Antrag nach dem ZRBG gestellt, dessen Bearbeitung jedoch im Vertrauen auf die Richtigkeit der (damaligen) Rechtsauffassung der Beklagten, dass bei Ghettotätigkeiten mit einer Entlohnung in Lebensmittelrationen die Anwendung des ZRBG ausgeschlossen sei, später eingestellt. Über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne das Erlöschen des Anspruchs und die damit bewirkte Benachteiligung des Rechtsnachfolgers ausgeglichen werden, in dem man ihn so stelle, als ob ein Verwaltungsverfahren anhängig gewesen sei. Wenn die Beklagte die Anerkennung eines Herstellungsanspruchs ablehne, berücksichtige sie nicht, dass im Juni 2014 ein ZRBG-Änderungsgesetz verabschiedet worden...

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