Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss einer Leistungspflicht der Krankenkasse für die Versorgung des Versicherten mit dem Arzneimittel Armour Thyroid zur Behandlung einer Immunthyreoditis
Orientierungssatz
1. Das Arzneimittel Armour Thyroid ist ein natürliches Schilddrüsenhormon und wird u. a. zur Behandlung einer Immunthyreoditis der Schilddrüse eingesetzt; es ist weder auf dem deutschen noch auf dem europäischen Markt zugelassen.
2. Als nicht zugelassenes Arzneimittel gehört es nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
3. Bei der Immunthyreoditis der Schilddrüse handelt es sich weder um eine lebensbedrohliche, regelmäßig tödlich verlaufende oder damit vergleichbare Erkrankung, noch fehlt es an einer alternativen Standard-Therapie. Die Voraussetzungen für einen off-label-use sind nicht erfüllt. Ein sog. Seltenheitsfall ist nicht gegeben.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.10.2016 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Versorgung der Klägerin mit dem Medikament Armour Thyroid (fortan: AT) im Wege der Sachleistung und der Kostenerstattung i.H.v. 220,92 Euro. AT ist ein natürliches Schilddrüsenhormon, welches in den vereinigten Staaten von Amerika von der Firma Forest Pharm. hergestellt wird.
Die 1964 geborene Klägerin leidet unter anderem unter einer Immunthyreoditis der Schilddrüse mit Hashimoto-Syndrom. Sie ist seit 2009 wegen einer psychischen Erkrankung berentet.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten in den Jahren 2010, 2011 und 2012 die Kostenübernahme für AT. Ärztliche Unterlagen legte sie nicht vor. Gegen die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten leitete sie keine gerichtlichen Schritte ein. Am 19.8.2013 beantragte die Klägerin erneut bei der Beklagten die Versorgung mit AT sowie mit einem natürlichen Progesteron für Beschwerden in den Wechseljahren. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, die Klägerin habe die medizinische Notwendigkeit einer Einnahme von AT nicht belegt. Hinsichtlich des Progesterons fehle es jedenfalls an einer vertragsärztlichen Verordnung.
Mit ihrem Widerspruch führte die Klägerin die zahlreichen Nebenwirkungen auf, die die verordneten Schilddrüsenpräparate, insbesondere Prothyrid, bei ihr verursacht hätten und die sie dem Arzt schriftlich vorgetragen habe. Mündlich teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie werde keine ärztlichen Unterlagen einreichen, sondern zum Rechtsanwalt gehen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 3.12.2013 als unbegründet zurück. Den Antrag der Klägerin wertete sie als Antrag auf § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie habe weder bei der aktuellen Entscheidung noch bei den in 2010, 2011 und 2012 abgelehnten Anträgen das Recht unrichtig angewandt, noch sei sie von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. AT sei weder auf dem deutschen noch europäischen Markt zugelassen und gehöre daher nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse. Eine lebensbedrohliche Erkrankung liege nicht vor. Vielmehr wiederhole die Klägerin seit Jahren ihr Vorbringen ohne die behaupteten Nebenwirkungen medizinisch zu belegen. Hinsichtlich des Progesterons habe die Klägerin nach wie vor keine Verordnung vorgelegt.
Mit ihrer am 17.12.2013 erhobenen Klage hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie die zahlreichen Nebenwirkungen alle vorgetragen habe. Ihr seien zwei Fälle bekannt, bei denen die Beklagte die Kosten für AT übernommen habe. Sie hat eine Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin T aus Mai 2014 vorgelegt. Darin gibt dieser an, die Klägerin habe ihm gegenüber erklärt, an zahlreichen (im Einzelnen aufgeführten) Nebenwirkungen zu leiden und eine Verbesserung nur unter einer Medikation mit AT erreicht zu haben. Daher befürworte er die dauerhafte Einnahme von AT im Falle der Klägerin. Desweiteren hat die Klägerin insgesamt fünf Rechnungen und Privatverordnungen über AT vom 5.8.2013, 10.10.2013 (2 Stück), 17.1.2014 und 14.1.2014 (dreimal 100 Tabletten mit 60 mg zu 44,14 Euro [ = 132,42 Euro zuzüglich 5,36 Euro Beschaffungskosten] und einmal zu 39,22 Euro sowie einmal 100 Tabletten mit 30 mg zu 39,12 Euro [zzgl. 4,80 Euro Porto]; insgesamt 220,92 Euro) zu den Akten gereicht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.9.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.12.2013 zu verurteilen, die bereits erbrachten Kosten für das Medikament Armour Thyroid in Höhe von 220,92 Euro sowie zukünftig die Kosten für das begehrte Medikament Armour Thyroid zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug genommen. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use seien nicht erfüllt. Vielmehr deuteten die medizinischen Unterlagen auf eine mangelnde Compliance der Klägerin und eine Überdosierung von AT hin.
Das Bundes...