Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung
Orientierungssatz
1. Unterliegt das Leistungsvermögen des Versicherten zwar qualitativen Einschränkungen, ist er aber noch in der Lage, körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich zu verrichten, so hat er keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB 6. Dabei bedarf es der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit nicht.
2. Der Arbeitsmarkt gilt als nicht verschlossen, wenn der Versicherte nicht auf betriebsunübliche Pausen angewiesen ist und seine Wegefähigkeit nicht eingeschränkt ist. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
3. Der Rentenanspruch ist ausgeschlossen, wenn Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder für eine schwere spezifische Leistungsbehinderung nicht ersichtlich sind.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 12.10.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Der 0000 geborene Kläger war bis 2017 als Dachdecker tätig. Bei ihm sind ein Grad der Behinderung von 70 und der Nachteilsausgleich "G" sowie in der sozialen Pflegeversicherung ein Pflegegrad I festgestellt. Im November 2017 beantragte er bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er habe seit Jahren beim Arbeiten und seit diesem Jahr bereits bei alltäglichen Dingen Schmerzen.
Die Beklagte zog u.a. den Bericht über eine Rehabilitationsbehandlung in der S. Klinik J. vom 18.08.2017 und ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung R. (MDK) vom 15.01.2018 bei, in denen jeweils von einem mehr als sechsstündigen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen wurde. Mit Bescheid vom 05.06.2018 lehnte sie den Antrag des Klägers ab, da die medizinischen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht vorlägen.
Auf den Widerspruch des Klägers vom 22.06.2018, den dieser damit begründete, dass nicht alle bei ihm bestehenden Erkrankungen beachtet worden seien, holte die Beklagte ein Gutachten des Internisten und Sozialmediziners N. und ein orthopädisches Gutachten des Facharztes für Orthopädie X. ein (Gutachten vom 07.11.2018 und 11.12.2018). Die Sachverständigen konnten jeweils keine quantitativen Leistungseinschränkungen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt feststellen. Auch die Wegefähigkeit sei gegeben. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht nach Durchsicht eines vom Kläger ergänzend vorgelegten Arztbriefs des Evangelischen Krankenhauses A.-D. vom 17.01.2019 sowie des MDK-Pflegegutachtens vom 28.02.2019 (Stellungnahme des N. vom 25.03.2019). Hierauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2019 zurück.
Gegen die Bescheide hat der Kläger am 23.05.2019 Klage vor dem Sozialgericht Detmold (SG) erhoben und diese unter Bezugnahme auf den im Widerspruchsverfahren vorgelegten Arztbrief damit begründet, dass insbesondere seine schwere Lungenerkrankung mit verordneter Langzeitsauerstofftherapie nicht berücksichtigt worden sei.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.06.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2019 zu verurteilen, ihm ab dem 17.11.2017 eine Rente wegen Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ihrer Auffassung nach erfülle der Kläger die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht.
Das SG hat zunächst Befundberichte des den Kläger behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin W., des Kardiologen I., der Fachärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde G. sowie des Facharztes für Chirurgie P. und anschließend ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin U. eingeholt. Der Sachverständige hat eine pulmonale Sarkoidose, gegebenenfalls mit persistierender Alveolitis, eine leichtgradige präkapilläre pulmonale Hypertonie am ehesten auf dem Boden einer zweifachen Lungenarterienembolie, den Ausschluss einer Linksherzbelastung, einen fehlenden Hinweis für eine wesentliche Rechtsherzbelastung in der Echokardiographie, ein paroxysmales Vorhofflimmern, therapiert mit Antikoagulation, eine arterielle Hypertonie, eine Hyperlipoproteinämie und eine diffuse Koronarsklerose diagnostiziert. Aufgrund dieser Erkrankungen sei das Leistungsvermögen auf leichte Tätigkeiten, ständig im Sitzen sowie zeitweilig im Stehen und Gehen begrenzt. U.a. seien schwere Tätigkeiten, Arbeiten in große...