Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe des Streitwertes einer Klage auf Feststellung einer Beitragsnachforderung des Rentenversicherungsträgers als Insolvenzforderung

 

Orientierungssatz

1. Der Wert des Streitgegenstandes einer Klage auf Feststellung einer Forderung, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden ist, bemisst sich gemäß §§ 182, 185 S. 3 InsO nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist, und zwar auch dann, wenn die Feststellung bei einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit zu betreiben ist.

2. Dem Interesse des Rentenversicherungsträgers, die in einem Bescheid zur Beitragshöhe festgestellte Forderung rechtmäßig als Insolvenzforderung beanspruchen zu können, entspricht das Interesse des Beitragsschuldners, die Insolvenzmasse von der streitigen Beitragsschuld zu entlasten. Dieses Interesse ist nicht mit der gesamten Beitragsnachforderung identisch, sondern mit dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Beitragsforderung zu erwarten ist. Ausschließlich dieser ist maßgebend für die Festsetzung des Streitwertes.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 31.10.2012 geändert. Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 41.529,09 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beklagte setzte gegen die L GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) im Anschluss an eine Betriebsprüfung im Wege des Leistungsbescheides eine Beitragsnachforderung von 830.581,73 Euro einschließlich Säumniszuschlägen fest (Bescheid v. 5.6.2009) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch nach Insolvenzeröffnung (Beschluss des Amtsgerichts Aachen v. 16.12.2009) zurück (Widerspruchsbescheid v. 11.1.2011). Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Beitragsnachforderung während des laufenden Insolvenzverfahrens durch Leistungsbescheid geltend zu machen (Urteil v. 31.10.2012). Es hat in der nur insoweit mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung den Streitwert auf 830,581,73 Euro festgesetzt und der Beschwerde der Beklagten hiergegen nicht abgeholfen.

Die Beklagte, die zunächst die Auffassung vertreten hatte, der Streitwert belaufe sich auf 830.581,73 Euro, weil die komplette Nachforderung strittig sei (Schriftsatz v. 20.10.2011), meint nunmehr, die Streitwertfestsetzung richte sich nach § 182 Insolvenzordnung (InsO). Erfahrungsgemäß sei von einer durchschnittlichen Insolvenzquote von 5 % auszugehen, sodass der Streitwert auf 41.529,09 Euro festzusetzen sei.

Der Kläger hat ursprünglich vorgetragen, die Auffassung der Beklagten, der Streitwert belaufe sich auf 830.581,73 Euro, zeige, dass ihre Erfahrungen mit den Vorschriften der InsO von näheren Kenntnissen ungetrübt seien. Der Streitwert sei nach § 182 InsO zu bestimmen. Für Gläubiger der Rangklasse nach § 38 InsO verbleibe bei einer Gesamtanmeldung von Forderungen in Höhe von 1.455,397,28 Euro ein Betrag von ca. 60.000,00 Euro. Es bedürfe keiner besonderen insolvenzrechtlichen Kenntnisse, um diesen Gedankengang nachvollziehen zu können. Die Beklagte möge in sich gehen. Nunmehr vertritt der Kläger die Auffassung, § 182 InsO sei unanwendbar und der Streitwert auf 830.581,73 Euro festzusetzen. Im Übrigen betrage die (noch nicht abschließende) Insolvenzquote voraussichtlich mehr als 10 %.

II.

Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist begründet. Der Streitwert für das Klageverfahren ist auf 41.529,09 Euro festzusetzen.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz [GKG]). Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Demgegenüber bestimmt sich der Wert des Streitgegenstands einer Klage auf Feststellung einer Forderung, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden ist, nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist (§ 182 InsO), und zwar auch dann, wenn die Feststellung bei einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit zu betreiben ist (§ 185 Satz 3 InsO).

Der in § 185 Satz 3 InsO enthaltene Verweis auf § 182 InsO ist eine anderweitige Bestimmung im Sinne von § 52 Abs. 1 GKG und geht als bereichsspezifische Ausnahmevorschrift zudem § 52 Abs. 3 GKG vor. Die Regelung betrifft auch den hier zu beurteilenden Fall einer Anfechtungsklage gegen einen auf der Grundlage von § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) während des laufenden Insolvenzverfahrens ergangenen Leistungsbescheid eines prüfenden Rentenversicherungsträgers.

1. Die...

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