Entscheidungsstichwort (Thema)
Statthaftigkeit einer Vollstreckungsabwehrklage im sozialgerichtlichen Verfahren
Orientierungssatz
1. Im Vollstreckungsverfahren einer Behörde ist die Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO nach § 202 SGG statthaft. Voraussetzung der Zulässigkeit ist der Erlass der Vollstreckungsankündigung. Die Vollstreckung wird durch die Vollstreckungsanordnung eingeleitet. Sie tritt an die Stelle der vollstreckbaren Ausfertigung. Die Leistungspflicht des Vollstreckungsschuldners ist durch den Leistungsbescheid der Behörde bereits bestimmt.
2. Eine Zahlungsaufforderung ist kein Verwaltungsakt und ersetzt nicht diesen, weil sie keine eigenständige Regelung enthält. Sie setzt vielmehr einen Leistungs- bzw. Rückforderungsbescheid voraus.
3. Vor Einleitung des Vollstreckungsverfahrens ist die Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage unzulässig. Dies gilt auch für eine nur hilfsweise erhobene Feststellungsklage, weil insoweit ein berechtigtes Interesse an einer begehrten gerichtlichen Feststellung nicht besteht.
Tenor
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.10.2009 geändert. Dem Kläger zu 1) wird Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt L, P, mit Wirkung ab 13.07.2010 bewilligt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Beschwerden der Kläger 2) bis 5) werden zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Beklagte bewilligte den Klägern mit bindend gewordenem Bescheid vom 02.05.2007 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) für April 2007 in Höhe von 1123,93 Euro sowie 1253,93 Euro monatlich für die Monate Mai bis Juli 2007 als Darlehen. Mit weiterem bindend gewordenem Bescheid vom 15.10.2007 wurden für den Zeitraum von August 2007 bis Januar 2008 weitere Leistungen in Höhe von 1218,08 Euro monatlich darlehensweise bewilligt. Mit Bescheid vom 28.05.2009 bewilligte der Beklagte in Ausführung eines in dem Verfahren Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen - S 21 AS 60/07 - geschlossenen Vergleichs vom 29.04.2009 weiterhin Leistungen für die Monate Februar und März 2007 in Höhe von 1253,93 Euro monatlich als Darlehen. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 15.10.2007 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung ab 01.09.2007 wegen Arbeitsaufnahme des Klägers zu 1) auf. Mit Zahlungsaufforderung vom 12.06.2009 an den Kläger zu 1) forderte die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Zahlung von insgesamt 8.489,66 Euro. Sie führte Zahlungsverpflichtungen wegen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Kosten der Unterkunft durch den Beklagten an (Bescheid vom 12.06.2009).
Die Kläger legten gegen die Zahlungsaufforderung vorsorglich Widerspruch ein und haben am 17.07.2007 Klage beim SG erhoben mit dem Antrag,
die Vollstreckung aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 12.06.2009 für unzulässig zu erklären und den Klägern Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt L, P, zu gewähren.
Sie tragen vor, ein Rückforderungsbescheid vom 12.06.2009 sei ihnen nicht bekannt. es fehle mithin die Voraussetzung für die angedrohte Vollstreckung.
Der Beklagte hat mitgeteilt, die Rückforderung beruhe auf der darlehensweisen Gewährung der Leistungen im Zeitraum vom 01.02.2007 bis 31.08.2007. Infolge der Beendigung des Leistungsbezuges sei die Rückzahlung des Darlehens fällig geworden. Aufgrund des Widerspruchs gegen den Darlehensbescheid vom 28.05.2009 seien die Forderungskonten zunächst ruhend gestellt worden, so dass derzeit keine Forderungen mehr geltend gemacht würden.
Das SG hat den Antrag auf Bewilligung von PKH mit Beschluss vom 15.10.2009 abgelehnt. Die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage sei zu verneinen, weil die Klage unzulässig sei. Insbesondere fehle das Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Vollstreckungsabwehrklage, da ein vollstreckbarer Titel des Beklagten nicht vorliege. Zudem habe der Beklagte die Zwangsvollstreckung noch nicht eingeleitet. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 15.10.2009 verwiesen.
Gegen den am 19.10.2009 zugestellten Beschluss hat der Kläger zu 1) am 29.10.2009 Beschwerde eingelegt.
Der Kläger zu 1) trägt vor, durch die Abgabe des Forderungseinzuges an das Inkasso müsse er mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen, auch wenn sie nicht konkret angedroht worden seien. Eine Vollstreckung hätte für ihn offensichtliche Nachteile, gegen die er sich im Anfechtungswege durch Widerspruch und Klage sowie gegen die Vollstreckung im Wege der Vollstreckungsabwehrklage wehren könne. Eine Vollstreckungsabwehrklage komme auch in Betracht, wenn ein Titel objektiv nicht vorliege. Es reiche aus, wenn - wie hier - das Vorhandensein eines Titels von dem Verwaltungsträger behauptet werde. Zudem stehe ihm, jedenfalls hilfsweise im Sinne einer Nachrangigkeit, das Recht zur Feststellung des Nichtbestehens des Anspruches zu. Der Beklagte gehe weiterhin davon aus, dass der Rückforderungsanspruch in vollem Umfang fortbestehe.
In Erfüllun...