rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderkündigungsrecht. Beitragssatzerhöhung. Kündigungsbestätigung. Beitragsdifferenz. Herstellungsanspruch. Amtshaftung. Anordnungsgrund
Leitsatz (redaktionell)
Lehnt eine Krankenkasse die Ausstellung einer Kündigungsbestätigung zu Unrecht ab, kann der Versicherte dies grundsätzlich in einem gerichtlichen Eilverfahren durchsetzen. Der Anordnungsgrund entfällt aber, wenn sich die Krankenkasse verpflichtet, dem Versicherten für den Fall des Obsiegens im Hauptsachverfahren die Differenz zwischen ihrem Beitrag und dem Beitrag der vom Versicherten gewählten neuen Krankenkasse zu zahlen.
Normenkette
SGB IV § 26; SGB V § 175 Abs. 4; SGG § 86b Abs. 2, § 193; ZPO § 929 Abs. 2; BGB § 839
Verfahrensgang
SG Aachen (Entscheidung vom 21.07.2004; Aktenzeichen S 6 KR 127/04 ER) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 21.07.2004 - Az. S 6 KR 127/04 ER - geändert. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgewiesen. Die Beschwerdeführerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegnerin für das Antragsverfahren in vollem Umfange, für das Beschwerdeverfahren zur Hälfte.
Gründe
I. Die Antragstellerin (d. Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Ausstellung einer Kündigungsbestätigung. D. Ast. war - nach jetzt übereinstimmenden Angaben der Beteiligten - seit dem 01.09.2003 Mitglied bei der Taunus BKK (T-BKK). Der allgemeine Beitragssatz betrug 12,8 %. Zum 01.04.2004 fusionierte diese Kasse mit der BKK Braunschweig (BKK B). Daraus ging die Antragsgegnerin (d. Ag.) hervor. Ihr Beitragssatz beträgt seitdem 13,8 %. D. Ast. kündigte daraufhin mit Schreiben vom 17.04.2004 die Mitgliedschaft bei d. Ag ... Das wies d. Ag. zurück (Bescheid vom 26.04.2004; Widerspruchsbescheid vom 08.06.2004), da durch die Fusion eine neue Krankenkasse mit einem neuen Beitragssatz entstanden sei. Ein Sonderkündigungsrecht ergebe sich nicht. D. Ast. hat deshalb Klage zum Sozialgericht (SG) Aachen erhoben und zudem begehrt, d. Ag. im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, d. Ast. unverzüglich eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Das SG hat d. Ag. antragsgemäß verpflichtet (Beschluss vom 21.07.2004). Mit ihrer Beschwerde trägt d. Ag. vor, entgegen der Ansicht des SG Aachen fehle es an einem Anordnungsanspruch und am Anordnungsgrund. Zudem mangele es an der verfassungsrechtlich gebotenen Interessenabwägung. Sie hat sich aber verpflichtet, d. Ast. im Falle ihres Unterliegens im Hauptsacheverfahren den Unterschiedsbetrag zu erstatten, der sich aus der Differenz ihres jetzigen, höheren Beitrags und dem Beitrag der gesetzlichen Krankenkasse ergibt, zu welcher d. Ast. wechseln wird.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
D. Ag. und Beschwerdeführerin beantragt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
D. Ast. und Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
D. Ast. hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie will zur BKK Anker-Lynen-Prym (Beitragssatz 12,6 %) wechseln. Sie hält einen Verbleib bei der Ag. für unzumutbar, zumal ihr dann bei einem Wechsel in eine andere Kasse das sonst zu erwartende Mutterschaftsgeld entgehe. Auch entgingen ihr bessere Zusatzleistungen bei anderen Kassen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II. Die Beschwerde der Ag. ist zulässig und nunmehr begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Fassung des 6. SGG-ÄndG vom 17.08.2001 (BGBl. I S. 2144) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1 - Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 - Regelungsanordnung). Die §§ 920, 921, 923, 926 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend (Satz 4).
Die hier allein in Betracht zu ziehende Regelungsanordnung setzt voraus, dass d. ASt. ein Rechtsanspruch zusteht (Anordnungsanspruch), dessen Verwirklichung wesentliche Gefahren drohen, denen nur durch eine Eilanordnung begegnet werden kann (Anordnungsgrund), vgl. zu allem nur Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Aufl., 2002, § 86 b, RNrn. 29 ff ...
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 ZPO). Droht einem ASt. bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes dementsprechend eine erhebliche Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - NJW 2003, 1236 f. m. w. Nachw.), so ist einstweilig...