rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Ausstellung einer Kündigungsbestätigung. Sonderkündigungsrecht. Beitragssatzerhöhung. Rückabwicklung des Versicherungsverhältnisses. Beitragsdifferenz. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Leitsatz (redaktionell)
Das vom Gesetzgeber im Rahmen des Sonderkündigungsrechts nach § 175 Abs 4 S. 5 SGB V allein als maßgeblich für die Ausübung dieses Rechts angesehene Kriterium der Beitragssatzerhöhung spricht dafür, dass der Gesetzgeber nur die Erhöhung der Beitragssätze als hinreichenden Grund für ein Sonderkündigungsrecht angesehen hat; insoweit ist nur dieses Interesse der Versicherten im Rahmen einer vorläufigen Regelung des einstweiligen Rechtsschutzes ausschlaggebend.
Normenkette
SGG § 86b Abs. 2; ZPO § 920; SGB V § 175 Abs. 4 Sätze 4-5; SGB IV § 26
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 17.09.2004 - Az.S 19 KR 644/04 ER - geändert. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt. Die Beschwerdeführerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdegegners für das Antragsverfahren in vollem Umfange, für das Beschwerdeverfahren zur Hälfte.
Gründe
I.
Der Antragsteller (d. Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Ausstellung einer Kündigungsbestätigung. D. Ast. war seit dem 01.10.2003 Mitglied bei der Taunus BKK (T-BKK). Der allgemeine Beitragssatz betrug 12,8 %. Zum 01.04.2004 fusionierte diese Kasse mit der BKK Braunschweig (BKK B). Daraus ging die Antragsgegnerin (d. Ag.) hervor. Ihr Beitragssatz beträgt seitdem 13,8 %. D. Ast. kündigte daraufhin mit Schreiben vom 06.05.2004 die Mitgliedschaft bei d. Ag ... Das wies d. Ag. zurück (Bescheid vom 03.06.2004; Widerspruchsbescheid vom 23.08.2004), da durch die Fusion eine neue Krankenkasse mit einem neuen Beitragssatz entstanden sei. Ein Sonderkündigungsrecht ergebe sich nicht. D. Ast. hat deshalb Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben und zudem begehrt, d. Ag. im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, d. Ast. unverzüglich eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Das SG hat d. Ag. antragsgemäß verpflichtet (Beschluss vom 17.09.2004). Mit ihrer Beschwerde trägt d. Ag. vor, entgegen der Ansicht des SG fehle es an einem Anordnungsanspruch und am Anordnungsgrund. Zudem mangele es an der verfassungsrechtlich gebotenen Interessenabwägung. Sie hat sich aber verpflichtet, d. Ast. im Falle ihres Unterliegens im Hauptsacheverfahren den Unterschiedsbetrag zu erstatten, der sich aus der Differenz ihres jetzigen, höheren Beitrags und dem Beitrag der gesetzlichen Krankenkasse ergibt, zu welcher d. Ast. wechseln wird (Verpflichtungserklärung vom 09.10.2004).
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
D. Ag. und Beschwerdeführerin beantragt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
D. Ast. und Beschwerdegegner beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
D. Ast. hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Er will zur BKK Bergisch Land (ursprüngl.Beitragssatz 12,5 %, jetzt 13,3 %) wechseln. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Ag. ist zulässig und nunmehr begründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Fassung des 6. SGG-ÄndG vom 17.08.2001 (BGBl. I S. 2144) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1 - Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 - Regelungsanordnung). Die §§ 920, 921, 923, 926 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend (Satz 4).
Die hier allein in Betracht zu ziehende Regelungsanordnung setzt voraus, dass d. ASt. ein Rechtsanspruch zusteht (Anordnungsanspruch), dessen Verwirklichung wesentliche Gefahren drohen, denen nur durch eine Eilanordnung begegnet werden kann (Anordnungsgrund), vgl. zu allem nur Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Aufl., 2002, § 86 b, RNrn. 29 ff ...
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 ZPO). Droht einem ASt. bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes dementsprechend eine erhebliche Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - NJW 2003, 1236 f. m. w. Nachw.), so ist einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE...