Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Magenbandoperation. Voraussetzungen für Kostenübernahme. Gewichtsverringerung. Multimodales Behandlungskonzept. Eingriff in ein gesundes Organ

 

Orientierungssatz

1. Die Implantation eines Magenbandes zur Behandlung eines massiven Übergewichts kommt als ultima ratio nur dann in Betracht, wenn die konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Vor Indikationsstellung ist ua eine sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung zur Gewichtsreduzierung erforderlich. Ist das notwendige multimodale Therapiekonzept nicht durchgeführt worden, so besteht kein Anspruch auf Durchführung einer Gastric-banding-Operation.

2. Allein der in Eigenregie intensiv betriebene Sport, Diät und Akupunktur reichen nicht aus, um die chirurgische Behandlung als notwendige und wirtschaftliche Maßnahme anzuerkennen. Wird ergänzend hierzu eine wenigstens sechs Monate dauernde ärztlich begleitende Maßnahme der Gewichtsreduktion nicht durchlaufen, die durch ein Konzept der psychologischen Begleitung und Ernährungsberatung und Bewegungsanregung begleitet wird, so ist eine Leistungspflicht der Krankenversicherung ausgeschlossen.

 

Normenkette

SGB V § 12

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.12.2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der 1987 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger begehrt die Erstattung der Kosten einer selbstbeschafften Magenbandoperation.

Am 11.05.2010 beantragte er bei der Beklagten die Übernahme der Kosten einer adipositaschirurgischen Maßnahme. In Auswertung der Angaben des Klägers und der von ihm eingereichten Unterlagen gelangte Dr. E, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Nordrhein - MDK -, in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 17.09.2010 zu dem Ergebnis, dass die Adipositaschirurgie nicht zu empfehlen sei, weil die konservativen Therapiemöglichkeiten nicht ausreichend genutzt worden seien. Es bestehe ein behandlungsbedürftiges Übergewicht der Klasse III nach WHO ohne manifeste Folgeerkrankungen. Dieses Übergewicht erfordere ein multimodales Therapiekonzept mit simultaner Beeinflussung der Lebensführung mittels Ernährungsberatung, Bewegungstherapie und psychotherapeutischer Begleitung. Das Konzept solle minimal über sechs, besser sechs bis zwölf Monate konsequent durchgeführt werden. Eigenständige Therapieversuche seien nicht ausreichend, um die frustrane konservative Therapie zu belegen.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 28.09.2010 die Übernahme der Kosten der geplanten Adipositaschirurgie mit der Begründung ab, die konservativen Behandlungsmethoden seien noch nicht ausgeschöpft.

Mit seinem Widerspruch reichte der Kläger ein Attest des Internisten Dr. P ein, trotz diätischer Maßnahmen, mehrerer psychologischer Therapieversuche und professioneller Diätberatungen sei keine Gewichtsabnahme erfolgt.

Unter dem 07.01.2011 führte der Arzt C, MDK, in seinem sozialmedizinischen Gutachten aus, dass die Kostenübernahme für die angestrebte Operation nicht empfohlen werden könne. Das vorrangig zu fordernde konservative multimodale Konzept sei nicht nachvollziehbar durchgeführt worden, schwerwiegende adipositas-induzierte Folgeerkrankungen lägen bei dem Kläger bisher nicht vor, die Situation einer Ultima Ratio sei nicht erkennbar.

Nachfolgend überreichte der Kläger eine Rechnung der St. N-Krankenhaus GmbH über 4.950,00 EUR für eine in der Zeit vom 22. bis 25.11.2010 durchgeführte stationäre Behandlung, in deren Rahmen eine Magenbandoperation durchgeführt worden war. Er verwies darauf, anhand unzähliger konservativer Maßnahmen in Eigenregie sein Gewicht zu reduzieren versucht zu haben; er habe auch versucht, der Adipositas durch Sport in einem Fitnessstudio und durch regelmäßiges Joggen Einhalt zu gebieten. Zwar sei immer wieder eine Gewichtsreduktion gelungen, durch den eintretenden Jo-Jo-Effekt habe sich sein Gewicht aber "hochgeschaukelt." Deshalb habe er sich zu der Operation entschlossen.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2011 zurück, die konservativen Maßnahmen seien nicht ausgeschöpft worden.

Mit seiner Klage vom 14.11.2011 hat der Kläger vorgetragen, die zwischenzeitlich durchgeführte Operation sei für ihn die Ultima Ratio gewesen; deshalb habe er Anspruch auf Erstattung der vorverauslagten Kosten. Er habe in Eigenregie intensiv Sport betrieben und anhand von herkömmlichen Diäten versucht, sein Gewicht zu reduzieren. Eine Ernährungsberatung, eine Verhaltenstherapie sowie eine angewandte medikamentöse Therapie habe nicht stattgefunden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2011 zu verurteilen, an ihn 4.950,00 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die ambulanten Möglichkeiten vor einer Ultima Ratio durchzuführenden magenchiru...

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