Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an das Bestehen eines Verwaltungsakts - Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei Beantwortung einer entscheidungserheblichen schwierigen Rechtsfrage
Orientierungssatz
1. Maßgeblich dafür, ob im konkreten Fall ein Verwaltungsakt vorliegt, ist der Sinngehalt einer Erklärung, wie ihn der Empfänger der Erklärung bei verständiger Würdigung objektiv verstehen muss. Allein aus dem Fehlen eines ausdrücklichen Verfügungssatzes kann nicht geschlossen werden, dass es sich um keinen Verwaltungsakt handelt. Entscheidend ist, ob ein Rechtsbindungswille der Behörde aus dem Zusammenhang geschlossen werden kann und der Regelungsgehalt hinreichend bestimmt ist.
2. Prozesskostenhilfe ist nach § 73a SGG zu gewähren, wenn u. a. der Ausgang des Verfahrens von der Beantwortung einer schwierigen Rechtsfrage abhängt. Dies ist u. a. der Fall, wenn streitig ist, welcher örtlich zuständige Grundsicherungsträger im Einzelfall die beantragten Leistungen des SGB 2 zu erbringen hat.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.07.2020 geändert. Der Klägerin wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt I, F, beigeordnet.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein auf eine Verurteilung des Beklagten zur Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung für eine staatliche Unterkunft gerichtetes Klageverfahren.
Die 1967 geborene Klägerin ist irakische Staatsangehörige. Sie lebt seit 2015 in der Bundesrepublik Deutschland. Von November 2015 bis Januar 2019 wohnte sie in V im Landkreis München und war dort in einer staatlichen Unterkunft untergebracht. Die Klägerin bezog zunächst Leistungen nach dem AsylbLG und ab Dezember 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Landratsamt München in Höhe des Regelbedarfs gemäß § 20 SGB II, jedoch keine Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II. Im Februar 2019 verzog die Klägerin nach I und im April 2019 nach E, wo sie ab dem 04.04.2019 vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezog.
Mit diversen Bescheiden vom 12.12.2019 setzte die Regierung von Unterfranken als zentrale Gebührenabrechnungsstelle für Bayern gegenüber der Klägerin Kosten für die Nutzung der staatlichen Unterkunft in V von November 2015 bis Januar 2019 iHv insgesamt 5145,63 EUR fest. Die Klägerin beantragte am 18.12.2019 beim Beklagten die Übernahme dieser Kosten. Mit Bescheid vom 15.01.2020 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe die Unwirksamkeit der der Gebührenerhebung zugrundeliegenden §§ 23,24 der Bayerischen Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl) festgestellt, so dass es für die Inanspruchnahme der Klägerin keine Rechtsgrundlage gebe. Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid keinen Widerspruch und beantragte am 22.01.2020 bei der Regierung von Unterfranken die Aufhebung der Gebührenbescheide. Die Regierung von Unterfranken teilte der Klägerin hierauf mit Schreiben vom 22.01.2020 mit, nach einer zwischenzeitlichen Änderung der DVAsyl könne die Kostenfestsetzung nunmehr auf die Neufassung gestützt werden. Eine Aufhebung der Kostenfestsetzungsbescheide komme nicht in Betracht. Die Klägerin bat den Beklagten mit Schreiben vom 02.03.2020 erneut um eine Übernahme der Kosten und übersandte ihm das Schreiben der Regierung von Unterfranken zur Kenntnis. Der Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 05.03.2020 mit, er verweise "erneut" auf den Bescheid vom 15.01.2020. Die Klägerin erhob hiergegen und hilfsweise gegen den Bescheid vom 15.01.2020 am 26.03.2020 Widerspruch. Die Regierung von Unterfranken könne die Kostenfestsetzung auf die geänderte DVAsyl stützen. Der Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2020 als unzulässig. Das Schreiben vom 05.03.2020 sei kein Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X, sondern lediglich eine wiederholende Verfügung zum Bescheid vom 15.01.2020.
Das Landratsamt München lehnte einen von der Klägerin ebenfalls dort gestellten Antrag auf Übernahme der Kosten für die staatliche Unterkunft mit Bescheid vom 10.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2020 ab.
Am 08.04.2020 hat die Klägerin beim Sozialgericht Düsseldorf Klage gegen das Schreiben vom 05.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2020 erhoben und die Verurteilung des Beklagten zur Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung für die staatliche Einrichtung in V iHv 5145,63 EUR sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Bei dem Schreiben vom 05.03.2020 handele es sich um einen Verwaltungsakt und nicht um eine wiederholende Verfügung. Da der Beklagte in seinem Bescheid vom 15.01.2020 fälschlicherweise von der Unwirksamkeit der Gebührenerhebung ausgegangen sei, habe ihr neuer Vortrag eine erneute Prüfung der Sach- und Rechtslage erforderlich gemacht.
Am 07.05.2020 hat die Klägerin beim Sozia...