Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Bemessung der Rechtsanwaltsgebühr
Orientierungssatz
1. Die Bestimmung der Rechtsanwaltsgebühren liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Anwalts. Eine Unbilligkeit der Höhe liegt dann vor, wenn die durch den Anwalt bestimmten Gebühren die nach Ansicht des Gerichts angemessenen um mehr als 20% übersteigen.
2. Erweist sich die Bedeutung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens für den Antragsteller als durchschnittlich, liegen Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit unter dem Durchschnitt, ist eine vertiefte anwaltliche Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen nicht erkennbar und sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers als unterdurchschnittlich zu bewerten, so erscheint der Ansatz der Mittelgebühr als überhöht und unbillig.
3. Der Anfall einer Erledigungsgebühr nach Nr 1006 RVG-VV setzt voraus, dass die anwaltliche Mitwirkung kausal für die Erledigung des Rechtsstreits gewesen ist. Für eine Mitwirkung bei der Erledigung ist ein qualifiziertes Tätigwerden notwendig, welches gerade darauf abzielt, die Streitsache aufgrund der besonderen Mitwirkung ohne gerichtliche Entscheidung zu erledigen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 16.03.2009 aufgehoben. Die dem Antragsteller aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden in Abänderung der Festsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Köln vom 18.12.2008 auf 461,01 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
Das Rubrum war von Amts wegen zu korrigieren. Antragsteller und Beschwerdeführer ist in Verfahren, welche die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung betreffen, der Rechtsanwalt selbst. Antrags- und Beschwerdegegner ist in solchen Verfahren die Landeskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor. Der durch die Prozesskostenhilfe begünstigte Beteiligte ist selbst am Gebührenfestsetzungs- bzw. entsprechenden Beschwerdeverfahren nicht beteiligt (LSG NRW, Beschluss vom 13.02.2009 - L 12 B 159/08 AS m.w.N.).
I. Die Beschwerde ist zulässig, da der Beschwerdewert 200,00 EUR übersteigt (§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)). Der Antragsteller begehrt die Festsetzung einer Gesamtgebühr von 785,40 EUR; die Urkundsbeamtin hat lediglich eine Gebühr von 421,26 EUR festgesetzt.
II. Die Beschwerde ist jedoch nur zum Teil begründet.
1. Im Ergebnis zu Recht hat die Urkundsbeamtin eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG nicht, wie vom Antragsteller berechnet, in Höhe von 450,00 EUR, sondern nur in Höhe 167,00 EUR in Ansatz gebracht.
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG sind bei der Bestimmung der Rechtsanwaltsvergütung alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Bedeutung der Angelegenheit, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers bzw. des Antragstellers zu berücksichtigen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG ist bei der Bemessung im Falle von Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Die Bestimmung der Gebühren liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Anwalts.
Der Senat teilt die in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung insoweit vorherrschende Auffassung, dass Unbilligkeit jedenfalls dann vorliegt, wenn die durch den Rechtsanwalt bestimmten Gebühren die nach Ansicht des Gerichts angemessenen um mehr als 20 % übersteigen (siehe schon Beschluss des Senats vom 09.08.2007 - L 20 B 91/07 AS m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben erweist sich die vom Antragsteller getroffene Bestimmung als unbillig und ist daher nicht verbindlich (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG).
Dabei rechtfertigt der Umstand, dass ein Verfahren gemäß § 86 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) betrieben worden ist, zwar nicht schon aus sich heraus und ohne Weiteres eine Kürzung der Gebühren. Jedoch ist die Verfahrensgebühr ausgehend aus dem in Nr. 3102 des VV RVG aufgeführten Gebührenrahmen zu bestimmen. Danach liegt die Mindestgebühr bei 40,00 EUR und die Höchstgebühr bei 460,00 EUR. Die Mittelgebühr, die 250,00 EUR (und nicht, wie der Antragsteller meint, 450,00 EUR) beträgt, ist anzusetzen, wenn sich die Leistung im Vergleich zur Gesamtheit der sozialgerichtlichen Verfahren insgesamt als durchschnittlich erweist, mithin einen "Normalfall" abbildet.
Der Senat teilt insoweit im Ergebnis die Einschätzung der Urkundsbeamtin, dass vorliegend der Ansatz der Mittelgebühr überhöht erscheint:
Die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller erweist sich insgesamt als durchschnittlich. Zwar war Gegenstand des Verfahrens die Gewährung von existenzsichernden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Allerdings sind Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich von vornherein lediglich auf eine vorläufige Regelung gerichtet, und zwar zeitlich begrenzt regelmäßig...