Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an das Bestehen eines Aufenthaltsrechts zur Begründung des Anspruchs auf Leistungen der Grundsicherung für einen Unionsbürger aufgrund Fortwirkens seiner Arbeitnehmereigenschaft
Orientierungssatz
1. Vom Leistungsausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 zur Gewährung von Leistungen der Grundsicherung wird u. a. ein Unionsbürger erfasst, der nicht mehr erwerbstätig ist und nicht über ein Aufenthaltsrecht aus fortwirkender/fiktiver Arbeitnehmereigenschaft i. S. des § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 FreizügG verfügt. Hiernach bleibt das Aufenthaltsrecht für Arbeitnehmer bei unfreiwilliger durch die Arbeitsagentur bestätigter Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit unberührt.
2. Eine zur Anspruchsbegründung erforderliche Bestätigung der Arbeitslosigkeit erstreckt sich auf deren Unfreiwilligkeit (BSG Urteil vom 13. 7. 2017, B 4 AS 17/16 R).
3. Maßgeblich kommt es hierbei ausschließlich auf die Feststellungen der zuständigen Agentur für Arbeit an.
4. Ist der antragstellende Unionsbürger nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in sein Heimatland zurückgekehrt und erst Monate später wieder nach Deutschland eingereist, so sind die Fortwirkungen seiner Erwerbstätigeneigenschaft mit dessen Auszeit untergegangen. Ein auf einer Arbeitnehmereigenschaft beruhendes Aufenthaltsrecht müsste danach neu erworben werden.
Tenor
Die Beschwerden der Antragstellerin gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Köln vom 27.09.2021 werden zurückgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. G Q aus Kerpen wird abgelehnt.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die am 00.00.1969 geborene Antragstellerin ist rumänische Staatsangehörige. Sie lebte seit Ende November 2017 in der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: Deutschland); im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners.
Ab dem 06.03.2018 bis zum 15.09.2019 war sie auf Grundlage aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge sozialversicherungspflichtig bei der Firma Q1 Dienstleistung GmbH & Co. KG als Reinigungshilfe beschäftigt. Im Oktober 2019 arbeitete die Antragstellerin vier Stunden für diese Firma, in den Monaten Dezember 2019 und Januar 2020 wieder in sozialversicherungspflichtigem Umfang. Für die Zeit ab dem 10.02.2020 wurde ein neuer Arbeitsvertrag geschlossen, zunächst bis Juni 2020 befristet. Arbeitgeberseitig wurde das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen zum 16.09.2020 gekündigt.
Im Anschluss hielt sich die Antragstellerin zunächst in Rumänien bei ihrem Sohn auf und reiste am 17.01.2021 wieder nach Deutschland ein.
Sie wohnte zunächst bei ihrer Schwester in der M-Straße 30 in Erftstadt, ab dem 13.09.2021 wohnt sie in der C-Straße 67.
Am 11.06.2021 legte die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten unter Bezugnahme auf einen Leistungsantrag Unterlagen zur Beschäftigung bei der Fa. Q1 Dienstleistung GmbH & Co. KG vor. Im Rahmen des sich anschließenden Antragsverwaltungsverfahrens forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zur Mitwirkung auf, der die Antragstellerin nachzukommen suchte.
Am 27.08.2021 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Köln (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
Die Antragstellerin könne nicht ohne Einkommen leben.
Sie hat beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, ihr ab Eingang des Antrags vom 11.06.2021 SGB II-Leistungen nach Maßgabe des Gesetzes zu gewähren,
hilfsweise,
den Antragsgegner zu verpflichten, über den Antrag vom 11.06.2021 eine Entscheidung herbeizuführen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Eine Hilfebedürftigkeit könne nicht einmal im Ansatz geprüft werden. Es sei nicht dargelegt worden, weshalb das Arbeitsverhältnis bei der Fa. Q1 im April 2020 offenbar beendet worden sei. Offen sei, wovon die Antragstellerin seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Fa. Q1 gelebt habe.
Die Antragstellerin hat diverse Unterlagen vorgelegt, bzgl. derer auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird.
Das SG hat den Eilantrag mit Beschluss vom 27.09.2021 abgelehnt. Es fehle an einem Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragstellerin habe die vom Antragsgegner angeforderten Unterlagen nach wie vor nicht vollständig vorgelegt bzw. die erforderlichen Erklärungen nicht abgegeben, um eine zeitnahe Prüfung ihres Leistungsanspruches zu ermöglichen. Der Antragsgegner sei offensichtlich zu einer zeitnahen Prüfung bereit. Mit weiterem Beschluss vom selben Tage hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt.
Gegen die folgende Leistungsversagung des Antragsgegners (Bescheid vom 04.10.2021; Widerspruchsbescheid vom 28.10.2021) hat die Antragstellerin eine weiterhin rechtsh...