Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollstreckung eines im Eilrechtschutz ergangenen Beschlusses über die Zahlung von Leistungen des SGB 2
Orientierungssatz
1. Wird der Grundsicherungsträger im Eilverfahren im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form der Regelleistung zu erbringen, so handelt es sich bei dem Beschluss des Sozialgerichts um einen vollstreckbaren Titel nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG.
2. Beantragt der Leistungsträger, die Vollstreckung hieraus durch einstweilige Anordnung auszusetzen, so ist eine Aussetzung nur in Ausnahmefällen zuzulassen, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSG Beschluss vom 8. 12. 2009, B 8 SO 17/09 R).
3. Ist nach summarischer Prüfung offen, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 zugunsten des Leistungsempfängers eingreift, so überwiegen regelmäßig die Interessen des Leistungsberechtigten auf Erhalt von existenzsichernden Leistungen in Form des Regelbedarfs die fiskalischen Interessen des Grundsicherungsträgers.
Tenor
Die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.12.2016 wird insoweit einstweilen ausgesetzt, als der Antragsteller verpflichtet wird, an die Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form der Regelleistung für die Zeit vom 02.12.2016 bis zum 28.12.2016 vorläufig zu erbringen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsteller trägt 3/4 der Kosten der Antragsgegnerin.
Gründe
Die Entscheidung beruht auf § 199 Abs. 2 SGG. Danach kann der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen, wenn das Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat.
Der Aussetzungsantrag ist zulässig. Der vom Antragsteller mit der Beschwerde angefochtene Beschluss des Sozialgerichts ist ein vollstreckbarer Titel (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Mit ihm wurde der Antragsteller als Antragsgegner des Eilverfahrens im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form des Regelleistung für die Zeit vom 02.12.2016 bis zum 27.03.2017 an die Antragsgegnerin vorläufig zu erbringen, wobei die Zahlbeträge beziffert worden sind.
Der Antrag ist teilweise begründet. Im Rahmen des bei der Entscheidung nach § 199 Abs. 2 SGG auszuübenden Ermessens (BSG, Beschluss vom 08.12.2009 - B 8 SO 17/09 R m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER mit Zusammenfassung des Meinungstandes; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 199 Rn. 8 m.w.N.; abweichend BSG, Beschluss vom 06.08.1999 - B 4 RA 25/98 B) sind die Interessen des Gläubigers an der Vollziehung des Titels mit dem Interesse des Schuldners, nicht vor der Beendigung des Instanzenzuges leisten zu müssen, abzuwägen. Zu gewichten sind daher die Folgen einer Ablehnung der Vollstreckungsaussetzung bei nachfolgender Aufhebung des angefochtenen Beschlusses einerseits und die Folgen einer Stattgabe des Aussetzungsantrages bei nachfolgender Zurückweisung der Beschwerde andererseits (Leitherer, a.a.O., § 199 Rn. 8 m.w.N.). Bei der Abwägung ist der in § 154 Abs. 2 SGG bzw. § 175 S. 1 SGG zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers zu berücksichtigen, Berufungen bzw. Beschwerden in der Regel keine aufschiebende Wirkung zuzumessen. Diese gesetzliche Wertung legt nahe, eine Aussetzung nur in Ausnahmefällen zuzulassen, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSG, Beschluss vom 08.12.2009 - B 8 SO 17/09 R). Dies gilt umso mehr, als bei der Nichtgewährung existenzsichernder Leistungen regelmäßig das Individualinteresse höher als das öffentliche Interesse anzusetzen ist (BSG, Beschluss vom 08.12.2009 - B 8 SO 17/09 R m.w.N.).
Bei der Abwägung der Interessen des Antragstellers, die Nachteile, die für ihn regelmäßig mit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel verbunden sind, abzuwenden mit den Interessen der Antragsgegnerin auf Erhalt von existenzsichernden Leistungen in Form des Regelbedarfs überwiegen die Interessen der Antragsgegnerin für die Zeit ab dem 29.12.2016. Nach derzeitiger Aktenlage hat die Antragsgegnerin das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II nachvollziehbar dargelegt. Insbesondere hat sie in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegeben, kein Einkommen zu beziehen. Insoweit ist im Beschwerdeverfahren zu klären, ob die Antragsgegnerin Krankengeld bezieht. Nach summarischer Prüfung ist offen, ob der Leistungssauschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II i.d.F. vom 22.12.2016 (Gesetz vom 22.12.2016, BGBl. I 3155, in Kraft getreten zum 29.12.2016, - n.F. -) zu Ungunsten der Antragsgegnerin für die Zeit ab dem 29.12.2016 eingreift. Dabei kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 3 FreizügG/EU ableiten kann. Denn nach § 7 Abs. 2 S. 3 SGB II n.F. erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen ...