Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Berücksichtigung des Einkommens des Stiefelternteils in der Bedarfsgemeinschaft zugunsten der nicht leiblichen, minderjährigen Kinder ab 1.8.2006. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die Berücksichtigung des Einkommens (auch) des Stiefelternteils zugunsten der nicht leiblichen Kinder in der Bedarfsgemeinschaft gem § 9 Abs 2 S 2 SGB 2 in der ab 1.8.2006 geltenden Fassung ist - jedenfalls bezogen auf minderjährige Kinder - verfassungsgemäß (Anschluss an BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R = BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19.03.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Beteiligten streiten noch, ob der Klägerin für den Monat Juli 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu erbringen sind.
Die 1994 geborene Klägerin lebte im streitigen Zeitraum mit ihrer Mutter (gesetzliche Vertreterin) sowie deren Ehemann, Herrn T1, in einem gemeinsamen Haushalt in einer Mietwohnung. Die Mutter und ihr Ehemann haben keine gemeinsamen Kinder. Der Ehemann überwies im Juli 2007 seinem nicht im gemeinsamen Haushalt wohnenden Sohn T ohne Vorliegen eines Unterhaltstitels Unterhalt in Höhe von 200,00 EUR. Der Klägerin überwies er ein Taschengeld von 50,00 EUR. Der leibliche Vater der Klägerin, Herr T, war zwar aufgrund eines entsprechenden Titels zur Zahlung von monatlich 337,00 EUR Unterhalt an die Klägerin verpflichtet; er war jedoch nicht leistungsfähig. Die Mutter der Klägerin erhielt für die Klägerin 154,00 EUR Kindergeld. Sie erzielte selbst ein Nettoeinkommen von 303,28 EUR. Ihr Ehemann erzielte im Juli 2007 ein Nettoeinkommen von 2.351,98 EUR; am 12.07.2007 wurde ihm zudem Einkommensteuer i.H.v. 3.312,68 EUR erstattet. Die Kosten für Unterkunft und Heizung trug er vollständig allein.
Die Mutter der Klägerin beantragte am 05.07.2007 die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Dabei gab sie an, mit ihrem Ehemann sowie ihrer Tochter in einem gemeinsamen Haushalt zu leben. Die Netto-Miete inkl. Betriebskosten betrage 340,00 EUR. Zu Heizkosten machte sie keine Angaben. Für ihre Tochter beziehe sie Kindergeld. Es seien keine Spar- und Bankguthaben vorhanden; dies gelte nur für sie und die Klägerin.
Mit Bescheid vom 20.08.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2007 lehnte die Beklagte die beantragte Leistungsgewährung ab. Dabei war im Widerspruch vom 11.09.2009 ausgeführt worden, es werde (allein) Sozialgeld nach § 28 Abs. 2 SGB II für die Klägerin begehrt. Leistungen nach dem SGB II setzten Hilfebedürftigkeit voraus. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörten neben der Klägerin auch ihre Mutter sowie deren Ehemann. Der Bedarf dieser Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II setze sich aus jeweils 312,00 EUR für die Mutter und den Ehemann sowie aus 208,00 EUR für die Klägerin zusammen, ferner aus Aufwendungen für Miete und Nebenkosten, die ausweislich der Angaben im Antrag 331,69 EUR monatlich betrügen. Damit ergebe sich einen Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft von 1.163,69 EUR. Anzurechnen sei insoweit jedoch das bereinigte Einkommen der Mutter der Klägerin von 162,62 EUR, das bereinigte Einkommen des Ehemannes der Mutter (ausgehend von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen der letzten drei Monate von monatlich 2.321,20 EUR) von 1.811,20 EUR sowie das für die Klägerin gezahlte Kindergeld von 154,00 EUR. Das anzurechnende Einkommen von insgesamt 2.127,82 EUR übersteige den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft, so dass keine Leistungen gewährt werden könnten. Wegen der Einzelheiten wird den Bescheid vom 20.08.2007 sowie dem Widerspruchsbescheid vom 21.11.2007 Bezug genommen.
Hiergegen hat die Klägerin am 21.12.2007 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, die von der Beklagten angewandten Vorschriften (§ 7 Abs. 3 i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II) seien verfassungswidrig. Durch willkürliche Zusammenfassung nicht miteinander verwandter Mitglieder einer Wohngemeinschaft in eine Bedarfsgemeinschaft werde das Unterhaltsrecht ausgehöhlt. Zudem werde gegen das Sozialstaatsprinzip verstoßen. Sie habe weder gegen ihre Mutter noch gegen deren Ehemann einen einklagbaren bzw. durchsetzbaren zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch. Durch die Berücksichtigung des Einkommens des Ehemannes ihrer Mutter würden sowohl sie als auch die Mutter und deren Ehemann in ihren Rechten aus Art. 3 Grundgesetz (GG) verletzt. Während sich ihr leiblicher Vater auf Pfändungsfreigrenzen nach der Zivilprozessordnung (ZPO) berufen könne, würden ihre Mutter und deren Ehemann auf Sozialhilfeniveau verwiesen. Es bestehe im Übrigen keine Vermutung, dass der Ehemann ihrer Mutter ihr Unterhalt leiste. Dass er sämtliche Wohnungs- und Heizkosten alleine trage, ergebe sich allein aus einer vertraglichen Verpfli...