Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Erlasses einer Forderung des Grundsicherungsträgers gegenüber dem Leistungsempfänger
Orientierungssatz
1. Nach § 44 SGB 2 darf der Grundsicherungsträger Ansprüche nach dem SGB 2 erlassen, wenn deren Einziehung im Einzelfall unbillig wäre. Davon ist vor allem auszugehen, wenn die Einziehung nach dem Zweck des zugrundeliegenden Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist (BSG Urteil vom 25. 4. 2018, B 14 AS 15/17 R).
2. Die Regelungen der §§ 45, 48 und 50 SGB 10 sollen sicherstellen, dass dem Leistungsempfänger nur die rechtmäßig zustehenden Leistungen verbleiben.
3. Eine persönliche Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn sich der Grundsicherungsberechtigte in einer Notlage befindet und zu besorgen ist, dass die Weiterverfolgung der Ansprüche zu einer Existenzgefährdung führt.
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.08.2021 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren, in dem der Erlass einer Restforderung streitig ist.
Die am 00.00.1954 geborene Klägerin bezog bis Januar 2019 von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Aus der Zeit dieses Leistungsbezugs hat der Beklagte noch Restforderungen aus bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden sowie aus einem Darlehensbescheid in einer Gesamthöhe von 5167,96 Euro. Die Darlehensforderung wurde zuletzt mit einer monatlichen Rate von 15,00 Euro, die Rückforderung aus den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden mit einer monatlichen Rate von 50,00 Euro getilgt. Mit Schreiben vom 03.06.2020 beantragte die Klägerin den Erlass der Restforderung. Sie bezog zu diesem Zeitpunkt eine Altersrente in Höhe von 943,30 Euro monatlich und Leistungen nach dem Wohngeldgesetz in Höhe von 103,00 Euro. Ihre monatlichen Kosten der Unterkunft und Heizung lagen bei 610,00 Euro. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15.01.2021 ab. Die Klägerin legte hiergegen mit Schreiben vom 22.01.2021 Widerspruch ein. Sie habe aufgrund der Corona-Pandemie ihren Minijob und damit ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von ca. 450,00 Euro verloren und lebe aktuell unter dem Existenzminimum. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2021 zurück. Die Einziehung berechtigter Forderungen sei grundsätzlich vom Gesetzgeber gewollt. Kurzfristige Hinderungsgründe (z.B. Corona Pandemie) oder Einkommen in Höhe der Grundsicherung seien kein Hinderungsgrund. Die Forderung sei bereits vor Beginn der Corona Pandemie entstanden und es bestehe zudem die Möglichkeit, mit der Zentralkasse eine individuelle Ratenzahlung zu vereinbaren und diese der persönlichen Situation anzupassen. Hinsichtlich der Frage, ob Ansprüche erlassen werden, bestehe Ermessen. Der Beklagte sei dazu verpflichtet, wirtschaftlich zu handeln und - auch im Interesse der Gemeinschaft der Steuerzahler - bestehende Forderungen vollständig und zeitnah zu erheben.
Die Klägerin hat hiergegen am 18.02.2021 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und beantragt, ihr PKH zu gewähren. Im Februar 2020 habe sie ihren Nebenjob verloren und finde als älterer, schwerbehinderter Mensch keine Arbeit mehr. Aus gesundheitlichen Gründen sei sie auch nicht mehr dazu in der Lage, einer Nebentätigkeit nachzugehen. Die Rückforderung gehe auf ihre damalige Arbeitsunfähigkeit zurück. Sie habe nicht grob fahrlässig gehandelt, sondern dem Beklagten immer alle Unterlagen zu dem von ihr bezogenen Krankengeld vorgelegt. Der Beklagte habe sie aber nicht zur Kenntnis genommen. Ihre finanzielle Lage sei ohne den Nebenjob äußerst angespannt. Sie habe zwischenzeitlich einen Antrag auf Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) bei der Stadt R gestellt.
Auf den diesbezüglichen Antrag hat die Stadt R der Klägerin mit Bescheid vom 01.07.2021 Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 122,63 Euro bewilligt.
Mit Beschluss vom 03.08.2021 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt. Zur Begründung hat es auf die angefochtenen Bescheide verwiesen und ergänzt, dass die Ausführungen der Klägerin zu ihrer aktuellen und zukünftigen wirtschaftlichen Situation nachvollziehbar seien, sich daraus aber nicht ergebe, dass die Einziehung der Forderung generell unbillig sei. Ob die Forderung durchsetzbar sei, lasse die Kammer ausdrücklich offen.
Gegen den ihr am 17.08.2021 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 30.08.2021 Beschwerde eingelegt. Sie lebe am absoluten Existenzminimum und ihre gesundheitliche Lage habe sich weiter verschlechtert. Der Beklagte habe sein Ermessen bei der Ablehnung des Antrags nicht zutreffend ausgeübt. Sie sei bereit, das Darlehen in monatlichen Raten von 10,00 Euro zu tilgen, wenn der Beklagte ihr die Restforderung im Übrigen erlasse.
Der Beklagte hat darauf verwiesen, dass die Entscheidung na...