Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung des Statusfeststellungsverfahrens

 

Orientierungssatz

1. Das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden wird nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG grundsätzlich auf den Adressaten des Verwaltungsaktes verlagert. Erforderlich ist ein überwiegend wahrscheinlicher Rechtsbehelf in dem Hauptsacheverfahren. Maßgebend ist, ob im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht.

2. Hat der Rentenversicherungsträger die Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH im Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 S. 3 SGB 4 bindend als selbständige Tätigkeit festgestellt, so fehlt es an einem Überwiegen von Umständen, dass es sich bei der fraglichen Tätigkeit um eine abhängige Beschäftigung handeln könnte. Bei einer solchen Sach- und Rechtslage ist einstweiliger Rechtsschutz gegen die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung zu gewähren.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 18.2.2016 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.11.2015 wird in Bezug auf die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 35.683,49 Euro angeordnet.

Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.920,87 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die am 23.3.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen schriftlich erhobene Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr am 23.2.2016 zugestellten Beschluss vom 18.2.2016 ist zulässig, insbesondere gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) eingelegt worden.

II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist auch begründet, soweit das SG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.11.2015 hinsichtlich der Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 35.683,49 Euro abgelehnt hat. Denn hinsichtlich der Nachforderung von Beiträgen betreffend den Beigeladenen zu 1) ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 18.11.2015 zulässig und begründet.

Der Antrag der Antragstellerin ist dahingehend auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 18.11.2015 nur hinsichtlich der Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 35.683,49 Euro begehrt. Die Antragstellerin hat im Antragsschriftsatz dargelegt, dass Ausgangspunkt ihrer Bemühungen um einstweiligen Rechtsschutz der Hinweis im Bescheid vom 18.11.2015 war, hinsichtlich der nachberechneten Beiträge habe ein gegebenenfalls erhobener Widerspruch keine aufschiebende Wirkung. Da die Antragsgegnerin das Begehren der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung insoweit abgelehnt hatte, hat diese sich zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes an das Sozialgericht (SG) Aachen gewandt, das sich damit nicht auf die von der Antragsgegnerin vorgenommene Beanstandung der Zahlung von Beiträgen im Zeitraum vom 25.6.2013 bis 31.12.2014 in Höhe von 5.975,07 Euro hinsichtlich Frau X erstreckt hat. Ein dahingehendes Begehren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wäre auch mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, denn der Widerspruch hat insoweit bereits aufschiebende Wirkung (vgl. Senat, Beschluss vom 28.10.2015, L 8 R 442/15 B ER, juris).

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren: Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER, Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER m.w.N.; jeweils juris). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes S...

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