Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Inanspruchnahme nicht zugelassener Leistungserbringer nur bei Notfällen. Genehmigungsfiktion. Systemversagen. einstweiliger Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Behandlungen in nicht zugelassenen Krankenhäusern sind nur bei Notfällen von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) umfasst (vgl BSG vom 9.10.2001 - B 1 KR 6/01 R = BSGE 89, 39 = SozR 3-2500 § 13 Nr 25).

2. Eine von vornherein auf einen größeren Umfang und Zeitaufwand angelegte Therapie stellt keine Notfallbehandlung dar (vgl LSG Essen vom 26.10.2006 - L 16 B 50/06 KR ER).

3. Im Fall eines sog Systemversagens steht den Versicherten kein Sachleistungsanspruch, sondern ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB 5 zu.

4. Eine Leistung durch einen nicht zugelassenen Leistungserbringer ist grds nicht fiktionsfähig iSd § 13 Abs 3a SGB 5, denn sie liegt offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV (vgl LSG Essen vom 12.7.2017 - L 11 KR 28/16). Ob hier ausnahmsweise dennoch eine Fiktion hätte eintreten können, weil die Antragstellerin von einem Systemversagen ausgeht, ist eine schwierige Rechtsfrage, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Rahmen einer vorläufigen summarischen Prüfung nicht entschieden werden kann.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 20.02.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und merkt ergänzend an:

Weder ein Anordnungsanspruch (dazu I.) noch ein Anordnungsgrund (dazu II.) sind glaubhaft gemacht.

I. Ein Anordnungsanspruch ergibt sich weder aus § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V; dazu 1.) noch aus § 13 Abs. 3a SGB V (dazu 2.).

1. Die von den Krankenkassen ihren Versicherten geschuldete Krankenbehandlung umfasst auch die (vollstationäre) Krankenhausbehandlung, allerdings nur in nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16.02.2005 - B 1 KR 18/03 R -). Hierzu zählt die EC Klinik in Münster nicht. Behandlungen in nicht zugelassenen Krankenhäusern sind nur bei Notfällen von der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) umfasst (BSG, Urteil vom 09.10.2001 - B 1 KR 6/01 R -). Ein solcher ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Gegenstand des Begehrens der Antragstellerin ist auch keine Notfallbehandlung.

Ein Notfall besteht, wenn ein nicht vorhersehbarer unmittelbar auftretender Behandlungsbedarf aus medizinischen Gründen eine sofortige Behandlung zur Beseitigung von Gefahren für Leib bzw. Leben oder zur Bekämpfung von - ansonsten unzumutbaren - Schmerzen erfordert und ein an der vertragsärztlichen Versorgung Teilnahmeberechtigter nicht rechtzeitig zur Verfügung steht (BSG, Beschlüsse vom 18.10.2010 - B 3 KR 12/10 B - und 14.12.2006 - B 1 KR 114/06 -; Landessozialgericht (LSG) Hessen, Urteil vom 15.01.2009 - L 1 KR 255/07 -; vgl. auch Senat, Urteil vom 28.01.2009 - L 11 KA 24/08 -). Demgegenüber stellt eine - wie hier - von vornherein auf einen größeren Umfang und Zeitaufwand angelegte Therapie keine Notfallbehandlung dar (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.10.2006 - L 16 B 50/06 KR ER -), insbesondere wenn diesbezüglich ein Krankenhausaufnahmevertrag abgeschlossen wird. Allein der "unvermittelt" auftretende Behandlungsbedarf kennzeichnet den Notfall (LSG Hessen a.a.O.). Vorliegend ist eine Behandlung nicht so dringlich, dass es bereits an der Zeit für die Auswahl eines zugelassenen Leistungserbringers fehlt. Vielmehr hat die Antragstellerin die EC Klinik gewählt und möchte dort zu Lasten der Antragsgegnerin behandelt werden. Im Übrigen ist der nicht zugelassene Leistungserbringer im Notfall auf die Notfallbehandlung beschränkt und darf die enge Ausnahmebestimmung des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht als Einfallstor für umfangreiche Leistungen zu Lasten der GKV nutzen (BSG, Urteil vom 18.07.2006 - B 1 KR 24/05 R -). In der psychotherapeutischen Versorgung kommt daher die Notfallbehandlung nur als Maßnahme der Krisenintervention in Frage (Stellpflug/Wipperfürth, ZGMR 2017, S. 225, 227). Eine solche (kurzzeitige) Notfallbehandlung, die sie i.ü. jederzeit in der LWL-Klinik in Hamm erhalten kann, wünscht die Antragstellerin ausdrücklich nicht. Vielmehr hat sie eine längerfristige Behandlung im Blick.

Ein Sachleistungsanspruch der Antragstellerin gerichtet auf stationäre Behandlung in einem nicht zugelassenen Krankenhaus besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemversagens. Von den in der Rechtsprechung des BSG gebildeten Fallgruppen (vgl. dazu LSG Berlin-Br...

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