Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Fehlen hinreichender Erfolgsaussichten. Klagerücknahmefiktion. Unterzeichnung einer Betreibensaufforderung mit Paraphe. kein Abschluss des Hauptsacheverfahrens ohne vorherige Entscheidung über PKH-Antrag. Darlegungsobliegenheit des Antragstellers

 

Orientierungssatz

1. Eine Betreibensaufforderung nach § 102 Abs 2 S 1 SGG entfaltet nur dann Wirkung, wenn sie vom zuständigen Richter verfügt und mit vollem Namen unterzeichnet wird. Ein den Namen abkürzendes Handzeichen genügt nicht als Unterschrift. In einem solchen Fall greift die Klagerücknahmefiktion des § 102 Abs 2 S 1 SGG nicht ein.

2. Es ist grundsätzlich nicht zulässig, das Hauptsacheverfahren abzuschließen, ohne zuvor über einen entscheidungsreifen Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden.

3. Ein bewilligungsreifer Prozesskostenhilfeantrag erfordert eine Darstellung des Streitverhältnisses unter Angabe der Beweismittel. Ein Rechtsschutzsuchender muss wenigstens im Kern deutlich machen, auf welche Beanstandung er seine Klage stützt. Er muss die hinreichende Erfolgsaussicht anhand konkret bezeichnender und darzulegender Tatsachen schlüssig und substantiiert unter Angabe der Beweismittel aufzeigen. Insoweit hat ein Rechtsschutzsuchender eine Darlegungsobliegenheit, die auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes im sozialgerichtlichen Verfahren gilt.

 

Normenkette

SGG § 102 Abs. 2 S. 1, § 73a Abs. 1 S. 1, § 92 Abs. 2 S. 1; ZPO §§ 114, 117 Abs. 1 S. 2, § 118 Abs. 2 S. 4

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.04.2013 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin bezog zusammen mit ihrem Ehemann und ihren vier minderjährigen Kindern im Jahr 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Durch Bescheid vom 08.07.2010 bewilligte der Beklagte den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab dem 01.07.2010. Der Ehemann der Klägerin bezog eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

In der Zeit vom 17.07.2010 bis zum 23.08.2010 hielt sich die Familie im Ausland auf. Der Beklagte genehmigte die Ortsabwesenheit in der Zeit vom 17.07.2010 bis zum 07.08.2010. Am 23.08.2010 sprach die Klägerin beim Beklagten vor.

Der Beklagte stellte zum 01.08.2010 die Zahlung von Leistungen ein. Durch Bescheid vom 23.08.2010 wurde festgestellt, dass für den Zeitraum vom 01.08.2010 bis zum 22.08.2010 keine Leistungen und für den Zeitraum vom 23.08.2010 bis zum 31.08.2010 insgesamt 362,85 EUR bewilligt werden.

Gegen den Bescheid vom 23.08.2010 legten die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Widerspruch ein. Sie machten u.a. geltend, dass allenfalls eine Kürzung des Leistungsanspruches der Klägerin für einen Zeitraum von zwölf Tagen verhältnismäßig und rechtmäßig sei. Durch Widerspruchsbescheid vom 26.06.2012 setzte der Beklagte die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.08.2010 bis zum 31.08.2010 auf insgesamt 784,99 EUR fest. Er gewährte den vier Kindern Leistungen für die Zeit vom 01.08.2010 bis 31.08.2010 sowie den Eheleuten für die Zeit vom 01.08.2010 bis zum 07.08.2010 und vom 22.08.2010 bis zum 31.08.2010. Im Übrigen wies er den Widerspruch als unbegründet zurück. Er übernahm 50 % der im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen.

Am 31.07.2012 hat die Klägerin, vertreten durch ihre Bevollmächtigte, Klage gegen den Bescheid vom 23.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2012 erhoben und die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Schriftsatz vom 14.08.2012 hat die Bevollmächtigte mitgeteilt, eine Klagebegründung werde bis zum 03.09.2012 erfolgen. Mit Verfügungen vom 13.09.2012, 11.10.2012, 08.11.2012 und 06.12.2012 hat das Sozialgericht an die Klagebegründung erinnert. Mit Schriftsatz vom 14.12.2012 hat die Bevollmächtigte mitgeteilt, die Aufforderung zur Klagebegründung vom 08.11.2012 sei ihr aufgrund eines Büroversehens erst am 14.12.2012 vorgelegt worden. Sie werde eine Klagebegründung bis zum 04.01.2013 fertigen. Mit Verfügung vom 18.01.2013, die von der Kammervorsitzenden paraphiert wurde, wurde die Bevollmächtigte der Klägerin aufgefordert, das Verfahren nach "§ 102 Abs. 2 SGG in der seit dem 01.04.2008 geltenden Fassung durch Einreichung einer Klagebegründung" zu betreiben. Sie wurde darauf hingewiesen, dass die Klage als zurückgenommen gelte, wenn sie das Verfahren trotz dieser Aufforderung länger als drei Monate ab Zustellung der Verfügung nicht betreibe. Das Schreiben ist der Bevollmächtigten der Klägerin am 28.01.2013 durch Empfangsbekenntnis zugestellt worden.

Durch Beschluss vom 29.04.2013 hat das Sozialgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Klage sei trotz mehrfacher Aufforderung, Erinnerung Betreibensaufforderung nicht begründet worden. Das Gericht müsse deshalb davon ausgehen, dass die Kläger kein Interesse an der Rechtsverfolgung hätten, was da...

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