Entscheidungsstichwort (Thema)

Funktionelle Zuständigkeit des Sozial- bzw. Landessozialgerichts für ein Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes

 

Orientierungssatz

1. Im Regelfall wird das Landessozialgericht lediglich zweitinstanzlich als Berufungs- oder Beschwerdegericht tätig. Nur in gesetzlich besonders vorgesehenen Fällen darf das Landessozialgericht erstinstanzlich entscheiden.

2. Nach § 86b Abs. 2 S. 3 SGG ist im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes das Gericht der Hauptsache und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht zuständig.

3. Ist in der Hauptsache kein Berufungsverfahren über den im Eilverfahren bezeichneten Streitgegenstand anhängig, so ist der zum Landessozialgericht gestellte Antrag auf einstweiligen Rechtschutz an das erstinstanzliche Sozialgericht zu verweisen.

 

Tenor

Das Verfahren über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird an das instanziell zuständige Sozialgericht Köln verwiesen.

Über die Kosten des Verfahrens vor dem Landessozialgericht entscheidet dieses Sozialgericht.

 

Gründe

Der von der Antragstellerin erhobene "Eilantrag" ist in entsprechender Anwendung des § 98 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.11.2017 - B 10 ÜG 1/17 Kl - Rn. 2, juris; Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2010 - L 7 AS 191/10 KL - Rn. 1, juris; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., 2020, § 98 Rn. 2 m.w.N.; Gutzeit in: Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 2. Aufl. 2021, § 98 Rn. 5) nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen an das instanziell und - im Hinblick auf den Wohnsitz der Antragstellerin (§ 57 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz SGG) - örtlich zuständige Sozialgericht Köln zu verweisen.

Das LSG ist hier instanziell unzuständig.

Im Regelfall wird das LSG lediglich zweitinstanzlich als Berufungs- oder Beschwerdegericht tätig (vgl. §§ 28, 29 Abs. 1 SGG). Nur in gesetzlich besonders vorgesehenen Fällen (vgl. § 29 Abs. 2 bis 4 SGG) kann und darf das LSG erstinstanzlich entscheiden.

Die Antragstellerin hat - im laufenden Berufungsverfahren L 4 R 373/20 - mit am 28.04.2021 beim LSG eingegangenen Schreiben einen "Antrag (Eilantrag) auf psychosomatische Rehabilitation zeitnah" gestellt. Damit begehrt sie in der Sache Eilrechtsschutz gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG. Dieser Vorschrift zufolge kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86b Abs. 2 Satz 3 SGG ist das Gericht der Hauptsache das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Das Gericht des ersten Rechtszuges ist gemäß § 8 SGG in der Regel das Sozialgericht.

Vorliegend ist in der Hauptsache kein Berufungsverfahren über den hier im Eilverfahren von der Antragstellerin bezeichneten Streitgegenstand (medizinische Rehabilitation) anhängig; das Berufungsverfahren L 4 R 373/20 betriff "Zwischenübergangsgeld" und Umschulungsmaßnahmen. Auch ein mit der Beschwerde vor dem LSG angreifbarer erstinstanzlicher Beschluss über den hier verfolgten Eilantrag fehlt. Ein Ausnahmefall nach § 29 Abs. 2 bis 4 SGG - und damit eine erstinstanzliche Zuständigkeit des LSG - ist vorliegend ebenfalls nicht gegeben. Demgemäß ist das Verfahren förmlich an das - örtlich zuständige - erstinstanzliche Sozialgericht zu verweisen.

Die Beteiligten sind vor der Verweisung gehört worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus in Verbindung mit GVG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 98 Satz 2 SGG i.V.m. § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG, § 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14669101

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