Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Praxisbesonderheit. kompensatorische Einsparung. Darlegungspflicht. Vertragsarzt. gegensätzliche Entscheidung. Prüfgremien. unterdurchschnittliche Scheinzahl. Therapiefreiheit. Wirtschaftlichkeitsgebot. Bildung. gesonderte Vergleichsgruppe. Bekanntgabe. Prüfreferat)
Orientierungssatz
1. Durch Überschreitungen im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses ist im Wege des Anscheinsbeweises die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise erwiesen und es obliegt dem Vertragsarzt, mittels substantiierter Einwendungen darzulegen, daß die hohen Überschreitungen durch (rechtserhebliche) Praxisbesonderheiten oder kompensatorische Einsparungen gerechtfertigt sind.
2. Allein der Umstand, daß der Vertragsarzt weniger Krankenhauseinweisungen und Arbeitsunfähigkeitsfälle hatte als die Vergleichsgruppe, rechtfertigt nicht die Annahme eines kompensatorischen Zusammenhangs, denn der Vertragsarzt, der den Einwand einer kompensatorischen Einsparung erhebt, muß darlegen, bei welchen Leistungen bzw Verordnungen ein Minderaufwand vorliegt, inwieweit zwischen den festgestellten Mehrkosten und den behaupteten Minderkosten ein ursächlicher Zusammenhang besteht und aufgrund welcher Erwägungen er davon ausgeht, daß bei Berücksichtigung der behaupteten Minderkosten sich eine wesentliche Verringerung der Kostendifferenz ergeben kann.
3. Im Einzelfall kann es durchaus legitim sein, wenn die Prüfgremien zu gegensätzlichen Entscheidungen kommen, sofern beide Entscheidungen den von der Rechtsprechung aufgestellten Begründungsanforderungen genügen.
4. Die Bezifferung angeblicher kompensatorischer Arzneimittelkosteneinsparungen belegt weder die Notwendigkeit der Mehraufwendungen noch eine Kausalität zwischen Mehr- und Minderaufwand.
5. Eine "extrem unterdurchschnittliche" Scheinzahl stellt keine Praxisbesonderheit dar. Rechtserhebliche Praxisbesonderheiten sind nur solche Umstände, die aus einem besonderen Behandlungsbedarf des jeweiligen Patientenklientels herrühren (sogenannte Morbiditätsstruktur der Patienten).
6. Der Grundsatz der Therapiefreiheit wird durch den gleichrangigen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit begrenzt.
7. Die von einem Vertragsarzt reklamierten Besonderheiten Allergologie, ambulantes Operieren und Photo-Chemotherapie rechtfertigen nicht die Bildung einer gesonderten Vergleichsgruppe.
8. Weder aus der Prüfvereinbarung noch § 106 SGB 5 noch in sonstigen Vorschriften läßt sich eine Verpflichtung der Prüfgremien herleiten, den Inhalt des Prüfreferates dem überprüften Vertragsarzt von Amts wegen zugänglich zu machen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen für die Quartale III/1993 und IV/1993.
Der Kläger ist als Hautarzt in M niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er behandelte im Quartal III/1993 999 Fälle. Der Gesamtfallwert lag 31,85 % über dem arithmetischen Mittel der Vergleichsgruppe. Die Gebührennummern 904 und 905 EBM rechnete er 300 % bzw. 422,22 % über dem Vergleichswert ab. Durch Beschluß vom 22.12.1993 kürzte der Prüfungsausschuß III die Gebührennummern 904 und 905 EBM um 50 % und 60 %, weil die hohen Anwendungsfrequenzen der gekürzten Gebührennummern nicht nachvollzogen werden könnten.
Im Quartal IV/1993 behandelte der Kläger 912 Fälle. Dabei lag der Gesamtfallwert um 21,96 % über dem arithmetischen Mittel der Vergleichsgruppe. Die Gebührennummern 904 und 905 EBM rechnete der Kläger um 200 % und 325 % über dem Schnitt der Vergleichsgruppe ab. Der Prüfungsausschuß III kürzte mit Beschluß vom 16.03.1994 die Gebührennummern 904 und 905 EBM um 32,5 % und 50 %; es handele sich hierbei um Leistungen, die für die betroffene Arztgruppe typisch seien und keine Praxisbesonderheit darstellen würden; die unterdurchschnittliche Scheinzahl sei berücksichtigt worden.
Die gegen beide Beschlüsse gerichteten Widersprüche des Klägers wurden mit Beschluß des Beklagten vom 26.04.1995 zurückgewiesen. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen. Mit der hiergegen gerichteten Klage hat der Kläger u.a. vorgetragen, die Kürzung der Gebührennummern 904 und 905 EBM sei nicht gerechtfertigt, weil es sich um die Behandlung von Warzen der Haut mit unterschiedlicher Lokalisation handele, die auf jeden Fall wegen der Ansteckungsgefahr auch möglichst rasch entfernt werden müssen. Die Honorarkürzungen würden seine Therapiefreiheit unzulässig einschränken. Die Auffassung des Prüfreferenten, daß die Angaben der Lokalisation nicht nur auf ansteckende Viruswarzen, sondern in einem nicht unerheblichen Maße auf sogenannte seborrhoische Warzen zurückzuführen seien, sei unzutreffend. Im übrigen seien in mehreren Vorquartalen trotz höherer Ausgangsüberschreitungen bei den gekürzten Gebührennummern keinerlei Honorarkürzungen erfolgt.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Beschlusses vom 26.04.1995 zu verurteilen, über seine Widersprüche erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Der Beklagte hat beantr...