Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. keine Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen die Aufhebung der Leistungsbewilligung. Wegfall des Arbeitslosengeld II durch Sanktion. Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen. keine vorläufigen Leistungen nach § 41a SGB 2
Orientierungssatz
Die Verfahrensvorschrift des § 41a Abs 7 SGB 2 setzt einen materiell-rechtlichen Leistungsanspruch voraus und kann nur eine vorläufige, aber keine gesetzeswidrige Leistungsgewährung begründen. Allein der Umstand, dass die Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen gemäß §§ 31 ff SGB 2 Gegenstand eines Verfahrens beim BVerfG ist, macht die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen eines Sozialleistungsanspruchs nicht entbehrlich. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktions- bzw Aufhebungsbescheid war daher abzulehnen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 11.06.2019 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Beschwerdeverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Sanktionsbescheid.
Mit Eingliederungsbescheid vom 19.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2019 legte der Antragsgegner dem Antragsteller u.a. die Verpflichtung auf, sich monatlich fünfmal um eine Arbeitsstelle zu bewerben, seine Eigenbemühungen in einem Aktionsplan zu dokumentieren und diesen jeweils zum 3. des Folgemonats dem Antragsgegner vorzulegen. Der Antragsteller erfüllte diese Verpflichtung - wie bereits dauerhaft in vorhergehenden Zeiträumen - nicht, weil er grundsätzlich der Meinung ist, sich nicht um eine Arbeitsstelle bemühen zu müssen, da er das Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland ablehne. Ein Eilverfahren gegen den Eingliederungsbescheid ist erfolglos geblieben (Beschluss des Sozialgerichts vom 06.03.2019 - S 25 AS 155/19 ER; Senats vom 06.05.2019 - L 7 AS 575/19 B ER). Mit Bescheid vom 08.05.2019 minderte der Antragsgegner den Anspruch des Antragstellers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 01.06.2019 bis zum 31.08.2019 um 100 % und hob die vorangegangene Leistungsbewilligung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 48 SGB X entsprechend auf.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 20.05.2019 mit Beschluss vom 11.06.2019 abgelehnt. Hiergegen hat der Antragsteller am 19.06.2019 Beschwerde erhoben.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 08.05.2019 abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen - wie hier gem. § 39 Nr. 1 SGB II - Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 39 Nr. 1 SGB II das Vollzugsrisiko grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier der Klage, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Maßgebend ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 15.05.2019 - L 7 AS 341/19, vom 30.08.2018 - L 7 AS 1097/18 B ER, vom 02.03.2017 - L 7 AS 57/17 B ER, vom 24.03.2016 - L 7 AS 372/16 B ER und vom 19.03.2014 - L 7 AS 321/14 B ER; Keller, in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl., § 86b Rn. 12a ff mwN).
Der Antragsteller kann sich nicht auf ein die Aussetzung der Vollziehung des Sanktionsbescheides überwiegendes Aufschubinteresse berufen. Der Senat hat bereits mit dem zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil vom 06.09.2018 - L 7 AS 2008/17 sowie dem Beschluss vom 01.07.2019 - L 7 AS 175/19 ausführlich dargelegt, dass jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der 100%-Sanktion bestehen. Diese Ausführungen gelten auch für den hier angegriffenen Sanktionszeitraum.
Ein Aussetzungsanspruch folgt nicht aus der vom Antragsteller zur Begründung seines Begehrens angeführten Regelung des § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Hiernach kann über die Erb...