Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss einer Einigungsgebühr bei Annahme des Verzichts auf Rückforderung von Grundsicherungsleistungen

 

Orientierungssatz

1. Die Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG kann grundsätzlich auch im Rechtsverhältnis des öffentlichen Rechts anfallen, wenn über die Ansprüche vertraglich verfügt werden kann. In Verfahren, deren Gegenstand ein Anspruch aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen ist, über den die Beteiligten nicht verfügen können, ist dies ausgeschlossen.

2. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über Sozialleistungen kann nach § 53 Abs. 2 SGB 10 nur geschlossen werden, soweit die Erbringung der Leistungen im Ermessen des Leistungsträgers steht. Weil die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach § 20 und 22 SGB 2 nicht im Ermessen des Leistungsträgers steht, löst die Annahme der Verzichtserklärung über die Rückforderung von Leistungen nach dem SGB 2 die Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG nicht aus.

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 05.10.2009 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der von der Staatskasse zu erstattende Vergütung eines Rechtsanwalts.

Mit Bescheid vom 09.03.2007 bewilligte die Beklagte dem seinerzeit noch in Bedarfsgemeinschaft mit Ehefrau und zwei gemeinsamen Kindern lebenden Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis zum 30.09.2007.

Nachdem der Kläger am 16.04.2007 den Erhalt einer Erbschaft mitgeteilt hatte, hob die Beklagte die Leistungsbewilligung vom 01.04.2007 bis zum 30.06.2007 auf und forderte die für diesen Zeitraum erbrachten Leistungen zurück. Die Klage hiergegen war erfolgreich (S 17 AS 132/08, SG Köln).

Mit dem im vorliegenden Verfahren angegriffenen Bescheid vom 31.05.2007 hob die Beklagte die Bewilligung durch Bescheid vom 09.03.2007 ab dem 01.07.2007 ganz auf und wies den Widerspruch des seit dem 02.07.2007 von seiner Familie getrennt lebenden Klägers mit Bescheid vom 12.08.2008 zurück.

Mit Bescheid vom 30.10.2007 wurden dem nunmehr allein lebenden Kläger für den Zeitraum vom 01.10.2007 bis 31.03.2008 erneut Leistungen nach dem SGB II bewilligt.

Am 28.08.2008 hat der Kläger persönlich Klage erhoben und diese begründet.

Am 08.09.2008 hat der Kläger Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers beantragt. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 18.09.2008 Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt und den Beschwerdeführer beigeordnet.

Am 30.09.2008 hat sich der Beschwerdeführer bestellt und im Rahmen eines etwa eine DIN A4-Seite umfassenden Schreibens vom 18.11.2008 folgenden, als "Vergleich" bezeichneten Vorschlag unterbreitet:

1.Die Parteien sind sich einig, dass für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 30.09.2007 keine Ansprüche gegeneinander mehr bestehen. Die Beklagte verzichtet insoweit gegenüber dem Kläger ausdrücklich auf Erstattung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.07.2007 bis 30.09.2007.

2.Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3.Die Parteien erklären den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Köln (S 17 AS 174/08) für erledigt.

Mit Schreiben vom 25.11.2008 hat die Beklagte die mit Schriftsatz vom 18.11.2008 vorgeschlagene und von ihr als "Vergleichsvorschlag" bezeichnete Regelung akzeptiert und erklärt, sie betrachte den Rechtsstreit S 17 AS 174/08 als erledigt.

Mit Schreiben vom 02.12.2008 hat der Beschwerdeführer auf Aufforderung des Sozialgerichts den "Vergleich" angenommen und erklärt, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache gem. § 101 Abs. 1 SGG erledigt.

Mit Schreiben vom 02.12.2008, beim Sozialgericht am 04.12.2008 eingegangen, hat der Beschwerdeführer beantragt, seine Vergütung aus der Staatskasse auf 567,04 EUR festzusetzen in Höhe von:

Verfahrensgebühr (Mittelgebühr) Nr. 3101 VV RVG = EUR 250,00

Vergleichsgebühr (Mittelgebühr) Nr. 1006 VV RVG = EUR 190,00

Kopienpauschale Nr. 7000 VV RVG = EUR 16,50

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG = EUR 20,00

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG = EUR 90,54

gesamt = EUR 567,04

Mit Beschluss vom 29.01.2009 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen festgesetzt auf 352,83 EUR in Höhe von:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG = EUR 150,00

Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG = EUR 110,00

Kopiekosten Nr. 7000 VV RVG (33 Kopien) = EUR 16,50

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG = EUR 20,00

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG = EUR 56,33

gesamt = EUR 352,83

Mit Erinnerung vom 02.02.2009 hat sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe der festgesetzten Gebühren gewandt und den Ansatz einer Mittelgebühr sowohl im Rahmen der Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG als auch der Gebühr nach Nr. 1006 VV RVG begehrt und - unter Hinweis auf die seiner Ansicht nach mindestens durchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit und den mindestens durchschnittlichen Aufwand der anwaltlichen Tätigkeit - die Nützlichkeit des unterbreiteten Vergleichsvorschlages für eine rasche Streitbeilegung begründ...

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