Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstreckung der im Prozesskostenhilfeverfahren erteilten Vollmacht auf das PKH-Überprüfungsverfahren
Orientierungssatz
Das PKH-Überprüfungsverfahren ist ein Annexverfahren zum Ursprungsverfahren. War der Kläger im Verfahren über die Bewilligung von PKH von einem Rechtsanwalt vertreten, so erstreckt sich die erteilte Vollmacht auf das PKH-Überprüfungsverfahren. Infolgedessen ist die gerichtliche Aufforderung zur Mitteilung wesentlicher Änderungen nicht an den Kläger selbst, sondern an dessen Bevollmächtigten zu richten. Dessen Vollmacht ist nicht erloschen. Fehlt es damit an einer wirksamen Aufforderung zur Abgabe der Erklärung gemäß §§ 120 Abs. 4 S. 2, 124 Nr. 2 ZPO, so ist der daraufhin ergangene gerichtliche Beschluss verfahrensfehlerhaft ergangen und aufzuheben.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 25.01.2010 wird aufgehoben.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde, mit der sich der Kläger gegen die auf §§ 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 120 Abs. 4 Satz 1 und 2, 124 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) gestützte Aufhebung des Beschlusses vom 17.04.2007 wendet, mit dem das SG ihm unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt Q Prozesskostenhilfe bewilligt hat, ist zulässig und begründet.
Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthaft. Ein gesetzlicher Ausschlusstatbestand greift nicht ein, wenn die Kläger und Beschwerdeführer sich gegen die Aufhebung bewilligter Prozesskostenhilfe wenden (Landesssozialgericht Baden-Württemberg - LSG BW -, Beschluss vom 11.07.2011, Az.: L 2 AS 1462/11 B, m.w.N).
Die Beschwerde ist auch begründet.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend.
Gemäß § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann das Gericht gegenüber einer Partei, deren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sich nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblich geändert verändert haben, innerhalb von vier Jahren die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern.
Der Partei obliegt es daher nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO, sich auf Verlangen des Gerichts darüber zu erklären, ob eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Gemäß § 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat.
Vorliegend kann dahinstehen, ob das SG ohne jeden konkreten Anlass im Rahmen einer rein routinemäßigen Überprüfung eine Aufforderung nach § 120 Abs. 4 ZPO Satz 2 ZPO an den Kläger richten durfte (ablehnend Landessozialgericht Baden-Württemberg - LSG BW -, Beschlüsse vom 09.06.2011, Az.: L 13 AS 120/11 B und 11.07.2011, Az.: L 2 AS 1462/11 B unter Hinweis auf den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen - LSG NRW - vom 07.12.2009, Az.: L 19 B 41/09 AL). Denn jedenfalls wurde das Verfahren nicht verfahrensfehlerfrei durchgeführt. Zumindest fehlt es an einer wirksamen Aufforderung zur Abgabe der Erklärung des Beschwerdeführers gemäß §§ 120 Abs. 4 Satz 2, 124 Nr. 2 ZPO. Die Aufforderung zur Mitteilung wesentlicher Änderungen wurde an den Kläger selbst und damit an den falschen Adressaten gerichtet. Sie hätte gemäß § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG an den Prozessbevollmächtigten gerichtet werden müssen. Gemäß § 73 Abs. 6 Abs. 5 SGG sind, wenn ein Bevollmächtigter bestellt ist, Zustellungen und Mitteilungen des Gerichts an diesen zu richten. Einer neuen Bevollmächtigung von Rechtsanwalt Q für das Überprüfungsverfahren bedurfte es nicht. Er war bereits vor Erlass des Prozesskostenhilfebeschlusses vom 17.04.2007 als Bevollmächtigter gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG bestellt und hatte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe selbst gestellt. Seine Vollmacht ist nicht erloschen, so dass von der Fortdauer der Bestellung zum Prozessbevollmächtigten auszugehen ist. Die ihm vom Kläger erteilte Vollmacht wirkt auch über die Beendigung des Hauptsacheverfahrens hinaus fort. Hieraus wiederum folgt, dass auch nach Abschluss des Verfahrens die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO wirksam nur an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichtet werden konnte. Dies folgt aus der mit § 172 Abs. 1 ZPO im wesentlichen identischen Regelung des § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG. Das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren ist ähnlich wie ein Wiederaufnahmeverfahren ein Annexverfahren zum Ursprungsverfahren (hier: Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe), so dass sich die vom Kläger erteilte Prozessvollmacht auch auf das Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren erstreckt (LSG BW, Beschluss vom 11.07.2011, Az.: L 2 AS 1462/11 B, Bundesgerichtshof - BGH -; Beschluss vom 08.12.2010, Az.: XII ZB 151/10; Landesarbeitsgericht - LAG - Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 03.08.2011, Az.: 1 Ta 127/11).