Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bei offener Rechtsfrage
Orientierungssatz
1. Der Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG setzt keine vorherige Antragstellung mit dem gleichen Rechtsschutzziel bei der Behörde voraus. Das Rechtsschutzbedürfnis für die unmittelbare Anrufung des Gerichts ist auch ohne vorherige Kontaktaufnahme mit der Behörde gegeben.
2. Wirft ein Rechtsstreit schwierige und noch offene Rechtsfragen auf, deren Beantwortung bei summarischer Prüfung offen erscheint, so entspricht es billigem Ermessen, bei der Kostenentscheidung nur eine hälftige Verpflichtung des Leistungsträgers zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Gegners auszusprechen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 07.11.2007 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren.
Gründe
Mit Beschluss vom 07.11.2007 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin zur Übernahme der Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in einem einstweiligem Rechtsschutzverfahren verpflichtet, in dem die Antragstellerin die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Antragsgegnerin begehrt hatte (§ 86 b Abs. 1. S. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Mit Antragserwiderung hat die Antragsgegnerin ihre Bereitschaft erklärt, von der Einziehung vorläufig abzusehen. Daraufhin hat die Antragstellerin den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, die Antragsgegnerin zur Übernahme ihrer außergerichtlichen Kosten zu verpflichten.
Mit ihrer Beschwerde nimmt die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des LSG NRW (Beschluss vom 24.11.2006 - L 12 B 151/06 AS - ) an, die Antragsgegnerin sei verpflichtet gewesen, vor Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes bei ihr die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes sei deshalb unnötig gewesen, sodass sie keine Kosten zu übernehmen habe. Zu Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 27.11.2007), ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin zur hälftigen Übernahme der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin verpflichtet. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin war die Antragstellerin nicht gehindert, den Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen den Aufhebungsbescheid vom 16.08.2007 beim Sozialgericht ohne vorherige Bemühungen um dieses Rechtsschutzziel unmittelbar bei der Antragsgegnerin zu stellen. Anders als der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG setzt der Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG keine vorherige Antragstellung mit dem gleichen Rechtsschutzziel bei der Behörde voraus. Vielmehr ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die unmittelbare Anrufung der Gerichte auch ohne vorherige Kontaktaufnahme mit der Behörde gegeben (herrschende Meinung, vergleiche aus der Rechtsprechung Beschlüsse des LSG Baden-Württemberg vom 07.01.2002 - L 13 AL 3590/01 ER - B-, des Thüringer LSG vom 10.04.2003 - L 2 RJ 377/03 ER - ; Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer, SGG, 8. Auflage, § 86 b Rdnr. 7 mit weiteren Nachweisen; Adolph in Hennig, SGG, erster Band, Stand August 2007, § 86 b Rdnr. 25; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Auflage, Seite 180; Binder in HK-SGG, § 86 b Rdnr. 9; Krodel, das sozialgerichtliche Eilverfahren, S. 24, a.A. noch derselbe, NZS 2001, 449, 458; a.A. für den Fall, dass die Verwaltung von sich aus ausgesetzt hat oder dies bei ihr beantragt worden ist; Zeihe, SGG, Stand Mai 2007, § 86 b Rdnr. 8a; anderer Ansicht Düring in Jansen und andere SGG, 2. Auflage mit dem Ansatz, Rechtsschutzbedürfnis sei erst dann anzunehmen, wenn eindeutig feststehe, dass eine Aussetzung der Vollziehung seitens der Behörde nach § 86 a Abs. 3 S. 2 SGG nicht in Betracht kommt). Der Unterschied zum Antrag nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG, bei dem eine vorherige Kontaktaufnahme mit der Verwaltung bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes naheliegt ( ... wenn eine solche Regelung ... nötig erscheint.) wird im Kern darin gesehen, dass § 86 b Abs. 1. S. 1 SGG selbst seinem Wortlaut nach keine weiteren Voraussetzungen aufstellt und eine § 80 Abs. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - (Aussetzungsantrag bei der Behörde als Voraussetzung des Aussetzungsantrages bei Gericht) entsprechende Regelung bei Vergleichbarkeit der beiden Vorschriften im Übrigen fehlt. Der vorliegende Sachverhalt weist keine Besonderheiten auf. Weder hatte die Antragstellerin sich bereits vor Antragstellung bei Gericht an die Antragsgegnerin gewandt noch diese zuvor zu erkennen g...