Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe des Regelbedarfs für einen Leistungsempfänger des SGB 12 ohne eigene Haushaltsführung
Orientierungssatz
1. Für erwachsene leistungsberechtigte Personen, die weder einen eigenen Haushalt führen, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen, sieht die Anlage zu § 28 SGB 12 eine Regelbedarfsstufe 3 vor. Für diese ist ab 1. 1. 2011 ein Betrag von 291.- €. monatlich zu gewähren.
2. Dem Gericht ist es verwehrt, im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums höhere Leistungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zuzusprechen.
3. Deshalb bleibt es der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten, ob im Einzelfall die vom BVerfG als verfassungsgemäß erachteten typisierten Einsparungen von 20 % bei einem Paarhaushalt auch für eine Person Gültigkeit besitzen, die mit ihr zusammenlebenden Angehörigen weder eine Einstandsgemeinschaft i. S. des § 19 Abs. 2 SGB 12 noch eine Bedarfsgemeinschaft i. S. von § 7 Abs. 3 SGB 2 führt.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.02.2011 geändert und der Antrag abgelehnt.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
I. Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin mit dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss vom 25.02.2011 entsprechend dem Antrag des Antragstellers verpflichtet, für die Zeit ab Antragstellung bei dem Sozialgericht (Januar 2011) bis November 2011, längstens jedoch bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 10.12.2010 (gemeint: 16.12.2010), vorläufig den Regelsatz eines Haushaltsvorstandes in Höhe von derzeit 359,00 EUR monatlich und auf dieser Grundlage auch den Mehrbedarf in Höhe von 17 v.H. nach § 30 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) zu gewähren.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Sozialgericht im Wesentlichen Bezug genommen auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19.05.2009 - B 8 SO 8/08 R sowie Urteil vom 23.03.2010 - B 8 SO 17/09 R) und ausgeführt, der Regelsatz für den Haushaltsvorstand sei aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten zu gewähren. Der mit dem 30.11.2010 aus dem Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ausgeschiedene Antragsteller bilde mit den mit ihm zusammenlebenden Angehörigen weder eine Einstandsgemeinschaft im Sinne des § 19 Abs. 2 SGB XII noch eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 SGB II. Einsparungen bei gemeinsamer Haushaltsführung könnten in einem solchen Fall nicht angenommen werden.
Gegen den ihr am 28.02.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 01.03.2011. Sie ist der Auffassung, der Antragsteller könne wegen des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter und zwei Brüdern nicht den Regelsatz eines Haushaltsvorstand beanspruchen. Seine Mutter erhalte das Kindergeld für ihn, da er seiner Behinderung wegen außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Gemäß der vom Bundestag beschlossenen Fassung des § 8 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII (jetzt: vom 24.03.2011 - BGBl. I, 453ff.) belaufe sich der Regelbedarf in der Regelbedarfsgruppe 3 für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen Haushalt führe, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führe, auf 291,00 EUR. Der Gesetzgeber habe deutlich gemacht, dass er der bisherigen Rechtsprechung des BSG nicht folge.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2011 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers gegen Bescheide vom 19.11.2010 und 16.12.2010 (Klageverfahren anhängig bei dem Sozialgericht Düsseldorf - S 42 SO 116/11) zurückgewiesen.
Der Antragsteller vertritt nunmehr die Auffassung, die Regelbedarfsgruppe 3 sei offensichtlich willkürlich und ohne statistischen Hintergrund festgelegt worden. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Urteile vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a.) seien nicht beachtet worden. Inhalt des Einigungsvorschlages des Vermittlungsausschusses sei, dass der Regelsatz für die Bedarfsgruppe 3 dahingehend überprüft werden solle, ob Menschen mit Behinderung ab dem 25. Lebensjahr abweichend von der bisherigen Systematik den vollen Regelsatz erhalten könnten. Der Gesetzgeber sei offenbar selbst nicht sicher, ob sein Gesetz so bleiben solle oder ob es eventuell verfassungswidrig sei. Der Zustand, dass der Gesetzgeber (irgendwann) sein eigenes Gesetz überprüfe wolle, sei unhaltbar.
Die Ausführungen des BSG (a. a. O.) blieben mithin zumindest unter dem Gesichtpunkt der Verfassungswidrigkeit der Neuregelung maßgeblich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Antrags...