Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen Sachverständigen
Orientierungssatz
1. Gegen einen Sachverständigen kann nach § 118 SGG, § 411 Abs. 2 Satz 1 ZPO ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn er eine ihm gesetzte Frist versäumt. Eine Nachfrist ist hinreichend zu bemessen.
2. Ist gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO eine Ersatzzustellung erfolgt, so setzt diese zu ihrer Wirksamkeit die Zustellung in der Wohnung bzw. den Geschäftsräumen des Sachverständigen voraus. Bei den Räumlichkeiten der Klinik, in der der Sachverständige als Arzt beschäftigt ist, handelt es sich nicht um die "Geschäftsräume des Sachverständigen", sodass dort eine Ersatzzustellung an den Sachverständigen gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO ausscheidet.
3. Im Übrigen erlaubt § 411 Abs. 2 ZPO nur die Festsetzung von zwei Ordnungsgeldern. Will das Gericht ein drittes Ordnungsgeld festsetzen, so muss es nach § 409 ZPO vorgehen und den Sachverständigen entsprechend darauf hinweisen.
4. Bei einer mehrfachen Festsetzung von Ordnungsgeldern aufgrund derselben Säumnis des Sachverständigen gilt eine gesetzte Nachfrist für die Beibringung des Gutachtens nur für das jeweils angedrohte Ordnungsgeld. Die Säumnis einer ordnungsgemäßen Nachfristsetzung für ein späteres Ordnungsgeld kann nicht für die Säumnis eines vorangegangenes Ordnungsgelds ohne ordnungsgemäße Nachfristsetzung herangezogen werden.
Tenor
Auf die Beschwerde des Sachverständigen wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 19.12.2023 aufgehoben.
Die Kosten Beschwerdeverfahrens trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Der Sachverständige wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 500 EUR.
Das Sozialgericht hat den Beschwerdeführer mit Beweisanordnung vom 25.08.2022 unter Fristsetzung bis zum 15.12.2022 zum Sachverständigen bestellt. Im Folgenden blieben an den Sachverständigen gerichtete Sachstandsanfragen und Erinnerungen unbeantwortet. Mit Beschluss vom 14.08.2023 hat das Gericht dem Sachverständigen unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 200 EUR eine Nachfrist bis zum 15.09.2023 gesetzt. Nachdem ein Eingang des Gutachtens bis zum Fristablauf nicht festzustellen war, hat das Sozialgericht gegen den Sachverständigen ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 EUR verhängt sowie unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 500 EUR eine Nachfrist bis zum 27.10.2023 gesetzt (Beschluss vom 28.09.2023). Auf der Zustellungsurkunde ist vermerkt, dass die Zustellerin den Beschluss am 21.10.2023 durch Übergabe "einem dort Beschäftigten" übergeben habe.
Durch Beschluss vom 19.12.2023 hat das Sozialgericht ein weiteres Ordnungsgeld, diesmal in Höhe von 500 EUR verhängt, eine Nachfrist bis zum 19.01.2024 gesetzt und für den Fall wiederholter Fristversäumnis ein Ordnungsgeld in Höhe von 1000 EUR angedroht. Auf der Zustellungsurkunde ist abermals vermerkt, dass das Schriftstück "einem dort Beschäftigten" übergeben worden sei.
Mit seiner am 01.02.2023 bei dem Sozialgericht Duisburg eingegangenen Beschwerde vom 21.01.2024 wendet sich der Sachverständige gegen "den zuletzt erteilten Beschluss" und macht im Wesentlichen geltend: Die Begutachtung komplexer Fälle erfordere grundsätzlich viel Zeit, insbesondere bei umfangreichen Akten und teils wenig aussagekräftigen Unterlagen der bisherigen Behandler (Berichte, Briefe, fehlende Klassifikation, etc.). Es hätten Befunde angefordert werden müssen, die bislang keinen Eingang in die Akte gefunden hätten. Zudem seien klinische, sonographische und radiologische Untersuchungen durchgeführt worden sowie eine zweite externe Befundung der MRT. Kliniken seien maximal überlastet, unterbesetzt (auch im Bereich der Sekretariate) und stünden unter einem erheblichen Druck aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation deutscher Krankenhäuser.
Am 26.01.2024 ist das Gutachten vom 23.01.2024 bei dem Sozialgericht Duisburg eingegangen.
II.
A. Die Beschwerde ist ungeachtet der Frage, ob der angefochtene Beschluss angesichts der in § 178 ZPO geregelten Vorgaben überhaupt wirksam zugestellt und die Rechtsmittelfrist von einem Monat in Gang gesetzt werden konnte, auch unter Berücksichtigung des Eingangs der Beschwerde erst am 01.02.2024 zulässig. Denn der Sachverständige ist mit dem angefochtenen Beschluss nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 66 Abs. 1 SGG über die Art des möglichen Rechtsbehelfs, den Ort seiner Anbringung und die einzuhaltende Frist belehrt worden. Soweit die Rechtsmittelbelehrung ausführt, die elektronische Form werde durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das "für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird", begegnet dies insoweit Bedenken, als sich das Erfordernis der Ein...