Entscheidungsstichwort (Thema)

Alterssicherung der Landwirte. gesamtschuldnerische Haftung des Landwirts für Beitragsschulden des Ehegatten. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Der Begriff des Landwirts nach § 1 ALG schließt auch dessen Ehegatten ein. Bei § 1 Abs 3 ALG handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion; unerheblich ist, ob der Ehegatte im Betrieb mitarbeitet. Eine vereinbarte Gütertrennung schließt die gesamtschuldnerische Haftung von Ehegatten nach § 70 Abs 1 S 2 ALG nicht aus (Anschluss an LSG Stuttgart vom 13.11.2000 - L 4 KR 3846/98).

2. Die gesamtschuldnerische Haftung gemäß § 70 Abs 1 S 2 ALG in Verbindung mit § 1 Abs 3 S 1 ALG ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl LSG Potsdam vom 5.8.2019 - L 22 LW 5/19 B ER).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.11.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Inanspruchnahme der Klägerin aus gesamtschuldnerischer Haftung für Beitragsschulden ihres Ehemannes streitig.

Die 1951 geborene Klägerin ist seit September 1972 mit Herrn L C verheiratet. Dieser unterlag als gärtnerischer Unternehmer vom 1.5.1994 bis 30.4.2002 der Versicherungspflicht nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) (Bescheide vom 18.7.1994 und 6.7.2004). Für die Klägerin bestand eine entsprechende Versicherungspflicht vom 1.1.1995 bis 30.4.2002 als seine mitarbeitende Ehefrau (Bescheide vom 13.2.1995 und 29.6.2004) sowie ab 1.3.2013 aufgrund eines eigenen gärtnerischen Unternehmens (Bescheid vom 6.3.2014).

Über das Vermögen des Ehemanns der Klägerin wurde am 5.8.2014 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet (Beschluss des Amtsgerichts (AG) N -XXX). Die Beklagte meldete Beitragsforderungen zur Tabelle an.

Mit Bescheid vom 25.11.2014 nahm die Beklagte die Klägerin aus gesamtschuldnerischer Haftung für eine Forderung gegenüber ihrem Ehemann in Höhe von 9.501,05 Euro in Anspruch. Diese setzte sich aus Beitragsrückständen in Höhe von 7.490,02 Euro für die Zeiträume Februar 1996, April bis Oktober 1996, Oktober 1997 bis Februar 2000, Juli 2000 bis April 2002 sowie aus einer Zuschussrückforderung für die Zeit von März 1997 bis Dezember 1998 in Höhe von 2.011,03 Euro zusammen. Der Ehemann der Klägerin sei in der Alterssicherung der Landwirte versicherungspflichtig gewesen und habe die Beiträge hierfür gem. § 70 Abs. 1 ALG zu tragen. Seien beide Ehegatten Landwirte, so hafteten sie gesamtschuldnerisch. Dies bedeute, dass die Beiträge von jedem Ehegatten ganz oder teilweise gefordert werden könnten. Davon unabhängig blieben beide Ehegatten bis zur vollständigen Begleichung der Beiträge zur Zahlung verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, dass sie und ihr Ehemann seit ca. 30 Jahren im Güterstand der Gütertrennung lebten. Im Übrigen sei über das Vermögen ihres Ehemanns das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Sie hafte nicht für seine Verpflichtungen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.6.2015 zurück. Die Klägerin hafte gesamtschuldnerisch mit ihrem Ehemann. Vor diesem Hintergrund sei unerheblich, ob sich ihr Ehemann im Insolvenzverfahren befinde. Die gesamtschuldnerische Haftung gelte auch im Falle der Gütertrennung.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Münster hat die Klägerin die Aufhebung des Forderungsbescheides beantragt und ihr Vorbringen im Wesentlichen wiederholt. Ihr Ehemann habe die geltend gemachte Summe wohl durch Verschulden des damaligen "Steuerberaters" zur Zahlung offen gelassen und sei unter anderem hierdurch 2014 gezwungen gewesen, Privatinsolvenz anzumelden. Nunmehr werde das Geld von ihr gefordert, obwohl sie zur damaligen Zeit nur bei ihrem Mann angestellt gewesen sei und diesem später nur von Zeit zu Zeit in den Blumengeschäften ausgeholfen habe. Sie selbst gehöre erst seit Dezember 2013 zu den Landwirten.

Die Beklagte hat im Verhandlungstermin am 6.11.2018, in dem die Klägerin nicht erschienen ist, einen weiteren Verwaltungsakt erteilt, mit dem die Rückforderung der Beitragszuschüsse in Höhe von 2.011,33 Euro und die Forderung von Beiträgen für die Monate Februar, April und Mai 1996 aus dem Forderungsbescheid vom 25.11.2014 herausgenommen worden sind. Hintergrund der Herausnahme der anteiligen Beiträge sei, dass die Beklagte bereits an anderer Stelle durch ihre Leistungsabteilung dem Ehemann der Klägerin gegenüber geltend gemacht habe, dass für diese Monate Beiträge im Konto wären. Wenngleich sich dies als unrichtig gezeigt habe, sehe sie sich hieran gebunden.

In entsprechender Umsetzung sind von der Klägerin mit Bescheid vom 8.11.2018 Beiträge in Höhe von nunmehr ("nur" noch) 7.072,58 Euro für die Zeiträume vom 1.6.1996 bis 31.10.1996, vom 1.10.1997 bis 28.2.2000 und vom 1.7.2000 bis 30.4.2002 gefordert worden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweise...

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