Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz gegen die Rückzahlung eines an einen landwirtschaftlichen Unternehmer gezahlten Beitragszuschusses

 

Orientierungssatz

1. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG soll die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs bzw. einer Klage in den Fällen entfallen, in denen die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger, insbesondere der Sozialversicherung, zu sichern ist. Bei der Rückforderung eines Beitragszuschusses an einen landwirtschaftlichen Unternehmer steht die Vermeidung von Überzahlungen und nicht die Frage der vollständigen Beitragszahlung im Vordergrund. Damit liegt einer der in § 86a Abs. 2 SGG geregelten Ausnahmefälle, in denen die aufschiebende Wirkung entfällt, nicht vor.

2. Ein Beschluss, der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergeht, erwächst, sofern kein Rechtsmittel mehr gegeben ist, in materieller Rechtskraft. Ein wiederholter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nur dann zulässig, wenn nach Eintritt der Rechtskraft neue Tatsachen entstanden sind oder eine veränderte Rechtslage vorliegt, welche eine andere Beurteilung des Sachverhalts rechtfertigen.

3. Ob im Einzelfall die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise anzuordnen ist, erfolgt aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zwischen Aufschub- und Vollzugsinteresse. Hierbei ist zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen und ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 86a Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 2, § 51 Abs. 1 Nr. 1; ALG § 70 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3, § 1 Abs. 2; BGB § 1414 Sätze 1-2, § 421

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 12.11.2015 geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27.7.2015 festgestellt, soweit die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 25.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.6.2015 die Rückzahlung überzahlter Beitragszuschüsse fordert. Im Übrigen werden die Beschwerde sowie die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 12.11.2015 aufgrund der Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1/5.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist eine Rückforderung der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin streitig, die auf einer gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme für ausstehende Beiträge zur Alterskasse der Landwirte für ihren Ehemann beruht.

Die 1951 geborene Klägerin ist seit September 1972 mit Herrn L C verheiratet. Der Ehemann der Antragstellerin betrieb zunächst unter der Firmierung "Blumen, Friedhofsgärtnerei, Gartenbau L C" einen Gartenbaubetrieb. In dieser Eigenschaft bestand für ihn ab dem 1.5.1994 Versicherungspflicht nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG), die erst durch Bescheid vom 6.7.2004 rückwirkend zum 30.4.2002 beendet worden ist. Bereits im Rahmen des Bescheides vom 6.7.2004 wies die Antragsgegnerin auf einen Beitragsrückstand in Höhe von 12.727,47 EUR hin.

Für die Antragstellerin bestand zudem aufgrund des Aufnahmebescheids vom 13.2.1995 rückwirkend zum 1.1.1995 Versicherungspflicht als Ehegattin von einem gärtnerischen Unternehmer nach § 1 Abs. 3 ALG. Diese wurde mit Bescheid vom 29.6.2004 rückwirkend zum 30.4.2002 aufgehoben. In dem Bescheid vom 29.6.2004 wurde die Antragstellerin ebenfalls auf einen Beitragsrückstand in Höhe von 5.295,56 EUR hingewiesen.

Da die Antragstellerin sodann im Rahmen eines Gartenbaubetriebes eine gärtnerische Urproduktion (Blumen- und Pflanzenanbau) auf Flächen in einer Größe von 96,39 Ar betrieb, stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 6.3.2014 ihre erneute Versicherungspflicht für die Zeit ab dem 1.3.2013 fest. Der Bescheid erwuchs in Bestandskraft.

Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) Münster (00 IN 00/00) wurde am 5.8.2014 über das Vermögen des Ehemannes der Antragstellerin wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 2.10.2014 meldete die Antragsgegnerin eine Beitragsforderung für den Ehemann der Antragstellerin in Höhe von 12.727,47 EUR (Rückstände in der Zeit vom 1.2.1996 bis zum 30.4.2002) und für die Antragstellerin in Höhe von 10.158,57 EUR (Rückstände in der Zeit vom 1.9.1998 bis zum 4.8.2014) zur Tabelle an.

Mit Bescheid vom 25.11.2014 forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin sodann einen Betrag von 9.501,05 EUR. Die Forderung setze sich aus Beiträgen für die Zeiträume Februar 1996, April bis Oktober 1996, Oktober 1997 bis Februar 2000, Juli 2000 bis April 2002 sowie aus einer Zuschuss-Rückforderung für die Zeit von März 1997 bis Dezember 1998 zusammen. Als Ehegatte sei sie bis zum 30.4.2002 gem. § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 ALG versicherungspflichtig in der Alterssicherung der Landwirte gewesen. Die Beiträge für diese Pflichtversicherung seien...

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