Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht bzw bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Ausnahme bei mindestens fünfjährigem gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Erforderlichkeit einer durchgehenden Meldung bei einer Meldebehörde
Orientierungssatz
Für den Lauf der Fünfjahresfrist nach § 7 Abs 1 S 5 SGB 2 ist eine durchgehende Meldung des Leistungsberechtigten nicht erforderlich.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 4.6.2021 wird zurückgewiesen.
Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt A S aus Köln bewilligt.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren werden dem Antragsgegner auferlegt.
Gründe
Die nach § 172 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Recht zur vorläufigen Gewährung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II verpflichtet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs voraus, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen - § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG, 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, Rn. 26, juris).
1. Nach der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz maßgeblichen Prüfungsdichte ist sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund für die (allein) geltend gemachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Regelbedarf) glaubhaft gemacht worden.
a. Die Antragstellerin ist unstreitig grundsätzlich leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II als Person, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
b. Darüber hinaus hat die Antragstellerin nach der im Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz maßgeblichen Prüfungsdichte vorliegend glaubhaft gemacht, dass sie nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von dem Leistungsanspruch ausgenommen war.
Nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II sind ausgenommen 1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, 2. Ausländerinnen und Ausländer, a) die kein Aufenthaltsrecht haben oder b) deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen, 3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Abweichend von der Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach dem SGB II, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde (§ 7 Abs. 1 S. 4 SGB II). Die Frist nach § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs. 1 S. 5 bis 7 SGB II).
In der Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob § 7 Abs. 1 S. 4, 5 SGB II fortwährende (und überdies melderechtskonforme) Anmeldungen während der gesamten Dauer der Fünfjahresfrist voraussetzt (so LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.5.2021, L 5 AS 457/21 B ER; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 4.5.2018, L 6 AS 59/18 B ER; LSG Hessen, Beschluss vom 16.10.2019, L 7 AS 343/19 B ER; LSG Be...