Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsgrund. Eilbedürftigkeit. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Berücksichtigung anderweitiger Verpflichtungen
Orientierungssatz
1. Bei der Prüfung des Anordnungsgrundes und damit der besonderen Eilbedürftigkeit im einstweiligen Rechtschutzverfahren können auch solche Mittel Berücksichtigung finden, deren Inanspruchnahme im Rahmen der materiellen Prüfung des Anspruchs nicht eingefordert werden kann, die dem Antragsteller aber tatsächlich zur Beseitigung der Notlage zur Verfügung stehen (vgl LSG Stuttgart vom 14.3.2019 - L 7 AS 634/19 ER-B und LSG Essen vom 1.12.2017 - L 19 AS 2138/17 B ER ua).
2. Diese Mittel muss der Hilfebedürftige auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage für sich verwenden, wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen (Anschluss an BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R = BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57).
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.08.2019 geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Der am 00.00.1956 geborene Antragsteller beantragte am 05.01.2019 beim Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er gab an, bis Juni 2012 in Deutschland selbständig gewesen zu sein. Anschließend habe er bis Ende Dezember 2018 in den USA gelebt. Dort habe er ein Liquidationseinkommen aus seiner früheren GmbH bezogen und seine Ersparnisse aufgebraucht. Nebenbei habe er als freier Journalist gearbeitet, aber hieraus keine Einkünfte erzielt. Der Antragsteller fügte seinem Antrag einen am 20.12.2018 noch unter einer Adresse des Antragstellers in den USA geschlossenen Mietvertrag über seine Wohnung in E bei. Vermieterin ist Frau T, eine frühere Angestellte des Antragstellers. Der Antragsteller gab an, nicht über Einkommen zu verfügen und legte u.a. ein Protokoll der Gesellschafterversammlung der C GmbH iL vom 12.01.2019 über die Liquidation der Gesellschaft und ein Schreiben von Frau T vom 30.03.2019, in dem diese sich bereiterklärte, die Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung von Miete bis Ende März 2019 auszusetzen und die monatlichen Beiträge des Antragstellers zur privaten Krankenversicherung zu übernehmen, vor. Beides könne für die Zukunft nicht mehr erfolgen. Frau T kündigte den Mietvertrag mit dem Schreiben fristlos. Eine Kontenabfrage des Antragsgegners beim Bundeszentralamt für Steuern ergab über die vom Antragsteller angegebenen Konten hinaus ein unbekanntes aktives Konto sowie eine Verfügungsberechtigung der Frau T über mehrere, teilweise aufgelöste und teilweise noch aktive Konten des Antragstellers (Auskunft des Bundeszentralamts für Steuern vom 28.03.2019). Aus einem vom Antragsteller eingereichten Schreiben der Schufa Holding AG geht hervor, dass dort neben der E Adresse des Antragstellers seit dem 20.03.2019 als Wohnadresse auch die E-Straße 00 in N gespeichert ist. Zudem wurde die Anschrift von Frau T in der I-Straße 00 in I 2011 auch als Adresse des Antragstellers gespeichert. Bei Ermittlungen des Außendienstes des Antragsgegners konnte der Antragsteller zwischen dem 24.04.2019 und dem 30.04.2019 an fünf Tagen zu unterschiedlichen Uhrzeiten nicht unter seiner E Adresse angetroffen werden.
Im Laufe des Verwaltungsverfahrens forderte der Antragsgegner den Antragsteller mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 16.04.2019, unter Fristsetzung bis zum 30.04.2019 und Verweis auf die Rechtsfolgen der Vorschrift des § 66 SGB I zu diversen Angaben und zur Einreichung von Unterlagen auf. Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 30.04.2019 eine Fristverlängerung bis zum 15.05.2019. Mit Schreiben vom 06.05.2019 beantwortete der Antragsteller einige vom Antragsgegner gestellte Fragen. Zu Fragen des Antragsgegners zur Finanzierung seines Lebensunterhalts ab 2012 und zu seiner Finanzierung durch Freunde bzw. Verwandte meinte der Antragsteller entsprechende Fragen seien rechtswidrig.
Am 20.05.2019 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Düsseldorf eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Leistungen im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt. Das Sozialgericht hat den Antragsgegner mit der Eingangsverfügung unter Hinweis auf § 104 Abs. 4 SGG zur Antragserwiderung und Aktenübersendung bis zum 23.05.2019, 10 Uhr, aufgefordert.
Mit Beschluss vom 23.05.2019 (S 25 AS 2034/19 ER) hat das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet, "dem Antragsteller ab dem 20. Mai 2019 vorläufig - längstens aber bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens - unter dem Vorbehalt der Rückforderung Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II nach Maßgabe der ...