Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung bei Erledigung einer Untätigkeitsklage vor deren Rechtshängigkeit

 

Orientierungssatz

1. Hat der Beklagte Anlass zur Erhebung einer Untätigkeitsklage gegeben, so sind ihm die außergerichtlichen Kosten des Klägers aufzuerlegen. Das gilt auch dann, wenn sich die Untätigkeitsklage kurz vor deren Rechtshängigkeit dadurch erledigt hat, dass der Beklagte den begehrten Widerspruchsbescheid erlassen hat. War die 3-Monatsfrist des § 88 Abs. 2 SGG bereits seit langem abgelaufen, so musste der Kläger nicht damit rechnen, dass der Beklagte in der nächsten Zeit über seinen Widerspruch entscheiden werde.

2. Seit Inkrafttreten des RVG sind Beschwerdeverfahren besondere Angelegenheiten i. S. von § 18 Nr. 5 RVG, die im Verhältnis zur Hauptsache zusätzliche Gebühren für den Rechtsanwalt auslösen. Weil das Beschwerdeverfahren eine eigene Gebühr vorsieht, ist für das Beschwerdeverfahren eine eigene Kostengrundentscheidung zu treffen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 18.12.2007 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Beschwerdeverfahren.

 

Gründe

Die Beschwerde der Beklagten, der das Sozialgericht (SG) mit Beschluss vom 21.01.2008 nicht abgeholfen hat, ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

1. Das Gericht entscheidet gemäß § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Dabei berücksichtigt das Gericht alle Umstände des Einzelfalls. Die danach zu treffende Entscheidung für die Kostentragungspflicht bei unstreitiger Erledigung hat allgemein auf der Grundlage billigen Ermessens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu erfolgen. Maßgebend für die Entscheidung sind die Erfolgsaussichten der Klage, ferner Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung (Meyer-Ladewig/Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 193 RdNr. 13).

a) Das SG hat in seinem angefochtenen Beschluss zu Recht ausgeführt, dass die Beklagte Anlass zur Erhebung einer Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG gegeben hat, so dass es billigem Ermessen entspricht, die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Klageverfahren zu tragen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG in seinem angefochtenen Beschluss Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

b) Das Vorbringen der Beklagten im Beschwerdeverfahren führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist es im vorliegenden Kontext unerheblich, dass sich die Untätigkeitsklage des Klägers kurz vor deren Rechtshängigkeit dadurch erledigt hat, dass die Beklagte den Widerspruchsbescheid erlassen hat. Denn der Kläger musste, nachdem die Dreimonatsfrist des § 88 Abs. 2 SGG seit langem abgelaufen war, nicht damit rechnen, dass die Beklagte - insbesondere in der nächsten Zeit - über seinen Widerspruch entscheiden würde. Die Beklagte hat den Kläger im Laufe des Verwaltungsverfahrens nicht darauf hingewiesen, dass und ggfs. wann mit einer Entscheidung über seinen Widerspruch zu rechnen ist. Der zwischenzeitlich erlassene Teilabhilfebescheid vom 11.06.2007 verweist in seiner Rechtsbehelfsbelehrung nur darauf, dass er Gegenstand des Widerspruchsverfahrens wird. Wann eine Entscheidung über den Widerspruch im übrigen getroffen werden soll, teilt er nicht mit.

Die Beklagte ließ schließlich auch das Schreiben des Klägers vom 12.06.2007 unbeantwortet, mit dem er darum bat, über den Widerspruch (im Übrigen) nunmehr bis zum 17.08.2007 zu entscheiden. Der Kläger musste nicht davon ausgehen, dass die Beklagte erst und unmittelbar nach Ablauf dieser Frist mit Bescheid vom 22.08.2007 über den Widerspruch des Klägers vom 16.02.2007 entscheiden würde.

2. Die Kostenentscheidung zum Beschwerdeverfahren folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG. Sie entspricht dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens.

a) Der Senat hat die Regelung des § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG entsprechend angewandt. Denn ob eine Beschwerdeentscheidung über einer Kostengrundentscheidung des SG selbst einer Kostenentscheidung bedarf, ist im SGG ausdrücklich nicht geregelt. Eine solche Kostenentscheidung ist nach Überzeugung des Senats jedoch erforderlich. Denn seit Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) vom 5. Mai 2004 sind Beschwerdeverfahren "besondere Angelegenheiten" (§ 18 Nr. 5 RVG), die im Verhältnis zur Hauptsache zusätzliche Gebühren für den prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt auslösen. Nach Gebührenziffer 3501 der Anlage 1 RVG (Vergütungsverzeichnis) fällt für ein Beschwerdeverfahren in Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG eine eigene Gebühr (von 15,00 bis 160,00 Euro) an; nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG erhält der Bevollmächtigte Rechtsanwalt im sozialrechtlichen Verfahren eine Vertragsrahmengebühr, wenn - wie hie...

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