Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung von Elterngeld auf Einkommen beim Bezug von Leistungen der Grundsicherung. Vertrauensschutz. Prozesskostenhilfe. Hinreichende Aussicht auf Erfolg

 

Orientierungssatz

1. Bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB 2 ist bezogenes Elterngeld nach Abzug der Versicherungspauschale als Einkommen zu berücksichtigen. Dies entspricht der Regelung des § 11 Abs. 1 S. 1 SGB 2 und des zum 1. 1. 2011 eingeführten § 10 Abs. 5 BEEG.

2. Die Verfassungsmäßigkeit von § 10 Abs. 5 BEEG ist hinreichend geklärt, u. a. durch die Entscheidung des BVerfG vom 11. 3. 2010. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch die zum 1. 1. 2011 ohne Übergangsregelung eingeführte Anrechnung des Elterngeldes auf SGB 2-Leistungen ist nicht ersichtlich, vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. März 2010 - 1 BvR 3163/10.

 

Normenkette

BEEG § 10 Abs. 5; SGB II § 11 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1; SGG § 73a Abs. 1 S. 1; ZPO § 114 S. 1

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund 12.12.2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Kläger beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Für die Betreuung der Klägerin zu 3) erhielt die Klägerin zu 2) für den Zeitraum 21.08.2010 bis 20.07.2011 Elterngeld in Höhe von 300,- EUR monatlich. Bis zum Ende des Jahres 2010 wurde dieses Elterngeld bei der Berechnung der Höhe der Leistungen nach dem SGB II nicht berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 17.01.2011 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum 01.02.2011 bis 30.04.2011 Leistungen in Höhe von monatlich 788,62 EUR (Februar 2011) bzw. 971,48 EUR (März und April 2011). Dabei rechnete er bei der Klägerin zu 3) Kindergeld in Höhe von 184,- EUR an und berücksichtigte nunmehr auch das Elterngeld nach Abzug der Versicherungspauschale von 30,- EUR als weiteres Einkommen der Bedarfsgemeinschaft. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2011 zurück. Die Kläger haben daraufhin am 06.01.2012 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben und gleichzeitig beantragt, ihnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N zu bewilligen. Zur Begründung hat dieser ausgeführt, die Anrechnung des Elterngeldes sei rechtswidrig. Die diesbezügliche Vorschrift des § 10 Abs. 5 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sei vorliegend nicht anzuwenden, weil die Kläger auf den Bestand der bis zum 31.12.2010 geltenden Regelung vertrauen durften, nach der das Elterngeld nicht anzurechnen ist. Anderenfalls liege eine Ungleichbehandlung zu den Elterngeldbeziehern vor, die ihr Elterngeld vollständig in 2010 erhalten haben, da bei diesen keine Anrechnung erfolgt sei. Zudem mangele es der Neuregelung an einer Stichtags- oder Übergangsregelung. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts sei daher das Recht anzuwenden, das zur Zeit des anspruchsbegründenden Ereignisses gegolten hat (SG Wiesbaden, Urteil vom 26.09.2011 - S 2 EG 17/11). Da der Sache grundsätzliche Bedeutung zukomme (SG Marburg, Urteil vom 12.08.2011 - S 8 AS 169/11; SG Landshut, Urteil vom 07.12.2011 - S 10 AS 484/11) sei Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Mit Beschluss vom 12.12.2012 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Klage biete keine Aussicht auf Erfolg, weil unter Berücksichtigung des zum 01.01.2011 neu angefügten § 10 Abs. 5 BEEG das Elterngeld auf SGB II-Leistungen voll anzurechnen sei. Etwas anderes gelte nur, wenn bis zur Geburt des Kindes Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt worden sei. Dieser Ausnahmefall liege hier nicht vor. § 10 Abs. 5 BEEG sei auch verfassungsgemäß (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.04.2012 - L 19 AS 2012/11).

Gegen den am 09.01.2013 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 10.01.2013 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung machen sie ergänzend geltend, gegen zwei Entscheidungen des Landessozialgerichts NRW, in denen die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in vergleichbaren Fällen zurückgewiesen worden ist, sei Verfassungsbeschwerde eingelegt worden. Die Frage, ob die Anrechnung des Elterngeldes auf SGB II-Leistungen verfassungsgemäß sei, sei eine grundsätzliche, bisher nicht geklärte Rechtsfrage, die im Rahmen der Verfassungsbeschwerden (1 BvR 622/12 und 1 BvR 1361/12) durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu klären sei. Es werde daher die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens beantragt.

II.

Die Beschwerde der Kläger ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt.

Prozesskostenhilfe wird nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die beabsichtigte Rechtsv...

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