Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zur Bewilligung von einstweiligem Rechtschutz

 

Orientierungssatz

1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes beurteilt sich das Vorliegen des erforderlichen Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet. Die rückwirkende Feststellung einer besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie führt jedoch nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes.

2. Dies bedeutet, dass der erforderliche Anordnungsgrund regelmäßig zu verneinen ist, wenn die Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat. In einem solchen Fall ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt. Das Abwarten einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtschutzsuchenden regelmäßig zumutbar.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.02.2017 (Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung) wird zurückgewiesen. Die Beschwerde gegen Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.02.2017 (Ablehnung von Prozesskostenhilfe) wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die statthaften Beschwerden sind nicht zulässig. Sie sind überdies nicht begründet.

1. Die Beschwerden sind nicht zulässig, weil das Rechtsschutzinteresse fehlt. Jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. Senat, Beschluss vom 16.03.2011 - L 11 KA 96/10 B ER -). Daran fehlt es. Gerichtlicher Rechtsschutz ist hier entbehrlich, weil der Antragsteller sein Ziel, weiterhin Krankengeld zu erhalten, auf anderem Wege einfacher und schneller erreichen könnte. Die Antragsgegnerin hatte den Antragsteller bereits mit Schreiben vom 30.12.2016 darüber informiert, dass aufgrund des Ruhens des Leistungsanspruchs Krankengeld nur gezahlt werden kann, wenn ohne die Krankengeldzahlung Hilfebedürftigkeit eintrete. Sie hat wiederholt bekundet, dass sie Krankengeld zahle, sobald der Antragsteller die notwendige Bescheinigung zur Hilfebedürftigkeit des Jobcenters oder Sozialamtes vorlege. Der Antragsteller hat aber weder die Bescheinigung beigebracht noch vorgetragen, dass (und ggf. aus welchen Gründen) ihm eine solche vom Jobcenter oder Sozialamt nach entsprechendem Antrag verweigert worden wäre.

2. Die Beschwerden sind auch unbegründet.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller das Bestehen eines Rechtsverhältnisses glaubhaft macht, aus dem er eigene Ansprüche ableitet. Maßgeblich sind in erster Linie die Erfolgsaussichten der Hauptsache. Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm unter Berücksichtigung der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zuzumuten ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 12.08.2013 - L 11 KA 92/12 - B ER, 08.07.2013 - L 11 KR 536/12 B ER -, 25.01.2012 - L 11 KA 77/11 B ER - und 29.06.2011 - L 11 KA 2/11 B ER -).

Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Die einstweilige Anordnung erscheint nicht nötig, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Weder liegen dem Gericht aktuelle ärztliche Bescheinigungen von Arbeitsunfähigkeit vor noch hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass derzeit der Unterhalt seiner Familie nicht sichergestellt ist. Jedenfalls seit Februar 2017 erzielt seine Ehefrau nach seinen Angaben monatliche Einkünfte in Höhe von (netto) 1286,69 EUR.

In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung...

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