Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlehensweise Übernahme von Energieschulden durch den Grundsicherungsträger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Drohende Wohnungslosigkeit. Haushaltsstrom. Verschulden. Zumutbare Möglichkeit zur Selbsthilfe. zivilgerichtlicher Eilrechtsschutz. Folgenabwägung
Orientierungssatz
1. Nach § 22 Abs. 8 SGB 2 sollen auch Energieschulden vom Grundsicherungsträger übernommen werden, wenn sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Ist die Sperrung nicht nur angekündigt, sondern bereits durchgeführt, so entspricht dies drohender Wohnungslosigkeit.
2. Der Grundsicherungsträger kann die Gewährung eines Darlehens zum Ausgleich der bestehenden Schulden beim Energieversorger nur in atypischen Fällen ablehnen.
3. Nach § 2 Abs. 1 SGB 2 muss der Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Besteht keine andere Möglichkeit für die zukünftige Sicherstellung der Energieversorgung außer der Inanspruchnahme eines Darlehens nach § 22 Abs. 8 SGB 2, so ist einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 1, 8, § 2 Abs. 1 S. 1; SGG § 86b Abs. 2; SGB I § 17
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 16.08.2013 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin für die Forderung aus Energieschulden in Höhe von 2908,26 EUR vorläufig ein Darlehen zu gewähren. Die Zahlung in Höhe von 2908,26 EUR ist unmittelbar an die Stadtwerke E zu leisten. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren sowie für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung der Rechtsanwaltssozietät I und Partner aus E bewilligt.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die darlehensweise Übernahme von Stromschulden der Antragstellerin bei den Stadtwerken E durch den Antragsgegner.
Die Antragstellerin lebt in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann und dem im Dezember 2011 geborenen Sohn E. Sie erhalten Leistungen vom Antragsgegner. Die Stromversorgung ist seit Januar 2013 unterbrochen.
Die Antragstellerin bedient nach Aktenlage auf die Außenstände Ratenzahlungen in Höhe von ca. 60,00 EUR sowie einen monatlichen Abschlag von 72,00 EUR monatlich, die direkt vom Antragsgegner an den Versorger gezahlt werden. Zu weiteren Ratenzahlungsvereinbarungen sah sich der Versorger nicht bereit.
Anträge auf Übernahme von Stromschulden hat der Antragsgegner mit Bescheiden aus Januar 2013 und Mai 2013 sowie mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2013, gegen den Klage erhoben wurde, abgelehnt.
Die Antragstellerin hat am 16.07.2013 Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und zum einen darauf hingewiesen, dass notwendige Verrichtungen für den 16 Monate alten Sohn nicht mehr sichergestellt seien. Zum anderen habe eine erneute Vorsprache bei den Stadtwerken zu keinem Kompromiss geführt. Der Abschluss eines Vertrages bei fünf der sieben anderen kontaktierten Anbietern scheitere an der negativ ausfallenden Bonitätsprüfung, bei weiteren zwei habe es auch keine Zusage gegeben.
Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 16.08.2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft.
Die Antragstellerin hat hiergegen rechtzeitig Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, dass weiterreichende Vereinbarungen mit den Stadtwerken E nicht möglich seien. Ebenso wenig sei sie in der Lage, aus eigener Kraft die Schulden zu tilgen. Zudem habe sie auch vom Antragsgegner weder eine Beratung noch eine Unterstützung erfahren.
Der Antragsgegner hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Die Stadtwerke E haben auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass sich unter Berücksichtigung der bisherigen Zahlung eine Forderung in Höhe von 2908,26 EUR ergibt.
Die Beschwerden der Antragstellerin sind zulässig und begründet.
Gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.10.1988, Az.: 2 B vR 174/88). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden, § 86 b SGG in Verbindung mit den §§ ...